Voll emotionaler Nähe und Distanz

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carl.a Avatar

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Das Titelbild drückt erst einmal große Nähe aus, das Passt zum Titel „Intimitäten“. Es steht aber im radikalen Bruch zur Handlung der Geschichte. Da geht es zwar ganz tief unter die Haut und alles wird schonungslos offen gelegt, bis zu Scham und Schmerz, aber zugleich bleiben sich die Charaktere doch trotz ihrer scheinbaren großen Nähe fremd. Nähe und Distanz, Intimität und Fremdheit, sind ganz offensichtlich die inneren Themen des Romans. Gerade deshalb empfinde ich das Werk als einen sehr modernen Roman. Es geht um die menschlichen Binde-, Anziehungs- und Fliehkräfte. Wie verbindlich sind heute noch zwischenmenschliche Beziehungen, eine Beziehung, die per Mail beendet wird, ghosting, alles hochaktuell und durch Corona werde solche sozialen Deformationen noch einmal wie in einem Katalysator verstärkt. An der markanten Geschichte zwischen Adriaan und der Erzählerin des Romans werden all diese Aspekte, wie ich finde, bis ins Extreme ausgeleuchtet. Katie Kitamuras legt eine tiefgründigen zugleich aber auch abgründigen Roman vor. Die Autorin ist darin eine großartige Beobachterin. Ein merkwürdiges intimes Beziehungsgeflecht tut sich auf, dass für die Ich-Erzählerin des Romans aber auch beim Lesen voller Rätsel steckt. Zusammenfassend kann man sagen: Beziehungen sind immer kompliziert, ganz besonders wenn es die Beziehungen zwischen Mann und Frau sind. Das wird in diesem besonderen Roman auf wunderbare Weise durchdekliniert.