Weckt definitiv Interesse

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laberlili Avatar

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Ich bin mir nicht sicher, ob die Autorin hier die Geschichte ihrer eigenen Familie erzählt oder die Erzählerin eine Unbekannte ist, die das Leben ihres umtriebigen, zielstrebigen Großonkels, und damit auch der entsprechenden, ihnen gemeinsamen, Verwandtschaft, von Anfang des 20. Jahrhunderts an rekonstruiert hat.
Der Erzählstil gefällt mir allerdings sehr gut; dieser angenehme Plauderton, der selbst die aufregenderen Begebenheiten relativ nüchtern wiedergibt, obschon man sie sich dennoch sehr gut bildlich ausmalen kann, lässt sich sehr schön lesen und auch wenn die Erzählung innert der Leseprobe nun noch gar nicht beim 2. Weltkrieg angekommen ist, bin ich schon interessiert zu erfahren, wie es all diesen Personen ergangen ist, als der Nationalsozialismus auch in Wien seinen Höhepunkt erreichte - ein wenig erschrocken war ich da auch ob der Reaktion des Hauswartspaar angesichts des unerwarteten Besuchs von Walter Jahre nach dem Krieg, die zeigte, dass der Antisemitismus mitunter immer noch in den Köpfen vorherrschte und längst nicht alle das Geschehen während der Zeit des Nationalsozialismus wirklich reflektiert hatten. Diese Szene empfand ich als besonders aufwühlend, da sich dieses Gedankengut heute auch wieder immer weiter ausbreitet und sie in mir prompt eine "diese Einstellung ist geblieben, sie hat die Generationen überdauert"-Feststellung hervorrief.

Nicht zuletzt angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage halte ich "Isidor" gemäß meinen ersten Eindrucks für ein sehr wichtiges Buch, da sich bereits im Beginn zeigt, wie zerrissen die Jahre von 1933 an die Betroffenen zurückgelassen haben.

Toll finde ich übrigens auch das Cover. Bisher erschließt sich mir zwar kein unbedingter Zusammenhang zum Inhalt, aber: da steht ein Reh auf dem Flur! Ein Reh! Nein, aber ich mag vor Allem auch den farblichen Kontrast zwischen Tier und Rest, der das Wild so absolut lebendig in einer eher trüben, leblosen Umgebung wirken lässt.