Jacob beschließt zu überleben

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buecherfan.wit Avatar

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In seinem neuen Roman "Jacob beschließt zu lieben" erzählt Catalin Dorian Florescu die Geschichte der Obertins, die ursprünglich aus Lothringen stammten, über einen Zeitraum von 300 Jahren. Aber sein Buch ist nicht nur ein großes Familienepos, sondern auch ein Roman mit ausgeprägten historischen Bezügen.

Im ersten Kapitel berichtet der Ich-Erzähler von der Ankunft seines Vaters im schwäbischen Dorf Triebswetter im rumänischen Banat im Jahr 1924. Er kommt mitten in einem furchtbaren Sturm an, in dem das Haus der Obertins brennt. Es stellt sich heraus, dass der Unbekannte, der sich Jakob nennt, auf der Suche nach Elsa Obertin ist. Er will sie heiraten, um auf diese Weise an einen Hof zu kommen. Ich-Erzähler Jacob ist der Sohn aus dieser Verbindung. Er erzählt die Geschichte seiner Familie von den späten 20er Jahren bis in die frühen 50er Jahre, aber auch allgemein die Geschichte der Rumänendeutschen und anderer zugewanderter Siedler im Banat. In ausführlichen Rückblenden geht der Autor zurück bis in die Zeit des 30jährigen Krieges und schildert, wie es Caspar, einem Vorfahr, ergeht. Er wird als 12jähriger Zeuge der Ermordung seiner Eltern durch marodierende Soldaten und wird von ihnen zum Kriegsdienst gezwungen. Jahre später desertiert er und kehrt in sein Dorf zurück. Er löscht fast eine ganze Familie aus, weil er der irrigen Ansicht ist, diese Leute hätten den Hof seiner Eltern in Besitz genommen. Mit der einzigen Überlebenden, einem jungen Mädchen, lebt er zwanzig Jahre zusammen. Das jüngste ihrer acht Kinder ist der Urgroßvater des legendären Frederick Obertin, der über ein Jahrhundert später von Lothringen ins Banat auswandern und das Dorf Triebswetter gründen sollte. Über die Vorfahren Caspar und Frederick Obertin erzählt auch der Großvater des jungen Jacob immer wieder Geschichten . Beide sind zur Legende geworden. obwohl sie sich auf Grund ihres Charakters und ihrer Taten so gar nicht zur Heldenverehrung eignen, wie der Leser bald feststellt.

Der Autor erzählt in einer nüchternen, emotionslosen Sprache eine Geschichte von Krieg und Tod, Verfolgung von ethnischen Minderheiten - Deutsche, Zigeuner, Serben -, Deportation und Verrat. Jacob, der bisher letzte Obertin, kämpft ein Leben lang vergeblich um die Zuneigung und Anerkennung seines Vaters, der den kränkelnden, schwächlichen Jungen ablehnt und um die Liebe seiner frömmelnden Mutter, die stets kühle Distanz wahrt und ihm nicht hilft, wenn der Vater ihn wieder einmal misshandelt. Zuneigung und Wärme findet der einsame Junge nur beim Großvater und bei der Zigeunerin Ramina, die seine zahlreichen Krankheiten behandelt und ihn seit seiner Geburt am Leben erhält. Der junge Jacob erlebt viele Schicksalsschläge: er verliert seine erste Liebe, das Serbenmädchen Katica und wird vom Vater verraten, der immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und unfähig ist, einen anderen Menschen zu lieben, aber auch von der geliebten Zigeunerin Ramina. Jacob überlebt, weil er nicht aufgibt, weil er nicht verbittert wird. Er entscheidet sich für die Liebe, verzichtet auf Rache.

Was für ein Roman! Gerade weil der Autor sich einer nüchternen Sprache bedient, entfalten die erzählten Ereignisse ihren ganzen Schrecken, treffen den schockierten Leser mit monumentaler Wucht. “Jacob beschließt zu lieben” ist ein ganz außergewöhnlicher Roman, der lange nachwirkt: sprachlich sehr anspruchsvoll, überaus spannend und sehr bewegend - ein Meisterwerk.