Ein Carter wie er einem Carter gebührt

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nahadriel Avatar

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Das Cover fügt sich gut in das bisherige Gros der Reihe ein.

Stilistisch scheint sich der Band an den ersten Teil der Lucien-Geschichte anzulehnen. Ich meine damit, daß die anderen Bände der Reihe mit einer Leiche anfangen, diese beiden jedoch nicht. (Weder das eine noch das andere ist dabei ein Manko.)

Dennoch geht es auch hier in medias res und das gleich zweimal: einmal nüchtern, faktual mit der zeitlichen Schilderung, dann abrupt emotional mit der Reaktion auf das Blut im Wachhäuschen.
So schafft der Autor es "doch noch" - obwohl man den Antagonisten als Stammleser diesmal bereist kennt - einen Spannungsbogen der Vorfreude zu kreieren. Und das ganz ohne reißerische Steigerung der Gewalt.
Für mich zeigt das die hohe stilistische Qualität des Autors. Diese ist in meinen Augen wirklich hoch und mit den Bänden der Reihe auch spürbar weiter gewachsen.
Die Qualität, das Können des Autors zeigt sich auch, wenn er Stimmungen kreiert. Ein Beispiel:
In der Szene, in der Adrian den Ausbruch berichtet, wird durch den Eindruck verschiedener Gespräche (Hunter - Kennedy, Garcia) ohne die unnötige Verwendung von Adjektiven eine angespannte, hektische Stimmung kreiert - die gleich in der nächsten Szene von Luciens kontrollierter Ruhe kontrastiert wird.
Diese Szene zeigt auch, wie Carter Stamm- und Neuleser zugleich bedient: Erstere kennen Lucien bereits und sind so Teil der einen, "eingeweihten" und aus Erfahrung beuneuhigten Gesprächsebene, Letztere können Garcias Neugier und Beunruhigung ob der verwirrenden Situation empfinden.

Carter schafft es also überdies eine - nunmehr - zehnbändige Reihe zu veröffentlichen, die sowohl für Stammleser als auch Neueinsteiger in jedem Band geeignet ist. Dazu muss er keineswegs auf eine fortgesetzte Geschichte verzichten, was meines Erachtens eine Kunst in sich darstellt, da er Neueinsteiger nicht mit Rekursen auf vorherige Bände ausschließt. Diese Rekurse erfolgen als kurze Nebensätze - holt den einen Leser ab, schließt den anderen nicht aus. (Übrigens schätze ich in dem Zusammenhang auch sehr, daß Hunter Biographie immer gleich geschrieben ist: Wer es kennt, kann bei Bedarf die zwei Seiten gefahrlos überspringen.)


Dass ich mich auf jedes neue Buch von Carter freue, dürfte klar sein. Ich schätze die hohe handwerkliche Kunst, die Kreativität und das Können sehr - da stellt aucch die aktuelle Leseprobe beileibe keine Ausnahme dar!