Beklemmend und düster

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ayasha Avatar

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„Für meine große Liebe, denn seit es dich gibt,
haben meine Briefe einen Adressaten“

Diese Widmung der Autorin hat mich schon Mal mitten ins Herz getroffen. Umso erstaunter war ich dann, in der Geschichte selber eine beklemmend düstere Grundstimmung aufzufinden. Die bedrückende Atmosphäre, die auch schon das Coverbild und die schwarzen Schnittkanten des Buches vermitteln, spiegeln sich auch in den Personen und ihren Interaktionen wieder.

Leon reist in das französische Louisson, um dort eine vor zehn Jahren verschwundene Zwillingsschwester Lune für tot erklären zu lassen. Leon macht seinem Namen alles andere als Ehre und wirkt anfangs trotz seiner anscheinend recht adretten Ausstrahlung auf mich als Leser als ein kleiner Junge mit einer verletzten Seele. Er stand zeitlebens im Schatten seiner Zwillingsschwester Lune. Ihr Verschwinden fühlte sich für ihn gleichzeitig befreiend aber auch verwirrend an. Mir als Leser schien es, als ob er nicht ohne sie, aber auch nicht mit ihr glücklich werden könnte. Dennoch verfolgt er mit der Toderklärung hauptsächlich ein Ziel: an Lunes Erbteil ran zu kommen. Das verschweigt er natürlich der örtlichen Polizei und hofft auf eine unbürokratische Erledigung. Da hat er aber nicht die Rechnung mit dem pflichtbewussten Polizisten Christian Mirambeau gemacht. Dieser will der Sache erst auf den Grund gehen und verstrickt sich immer mehr selber in ein Netz von psychologischen Verwicklungen und Besessenheit. Doch welche Spinne hat das Netz gesponnen?

Was so spannend und vielversprechend beginnt, verstrickte mich als Leser auch immer mehr – aber eher auf unangenehme Art und ich kann mich leider den begeisterten Leserstimmen nicht einfach so anschliessen. Mia Winter kann eines hervorragend: Atmosphäre schaffen. Das Ambiente im Buch ist von Anfang an sehr dicht und intensiv. Die Düsternis umschliesst alle Figuren und lässt den Leser sogar an einem angenehmen Frühlingstag frösteln. Für meinen Geschmack blieb es jedoch zu sehr so düster und dunkel – es gab keinen hellen Streif am Horizont, den ich als harmoniebedürftiger Leser gebraucht hätte. Daher hat mich die Geschichte, die mich zu Beginn noch für sich eingenommen und neugierig gemacht hatte, immer mehr erdrückt. Obwohl die Geschichte in sich schlüssig war und auch das Ende gut dazu passte, waren mir die menschlichen Abgründe zu tief und manche Szenen schon fast abstossend, so dass auch nach Zuklappen des Buches ein bitterer Beigeschmack zurück blieb.

Mia Winter hat defnitiv Erzähltalent und ich kann mir vorstellen, einem nächsten Buch aus ihrer Feder nochmals eine Chance zu geben. Dennoch lässt mich dieses enttäuscht zurück und ich muss jetzt erst einen warmen Tee trinken, um mich aufzuwärmen.