Eine zutiefst gestörte Familie

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takabayashi Avatar

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Der Klappentext ist etwas irreführend, da er Erwartungen schürt, die der Roman letztendlich nicht erfüllen kann. Edie und Mae sind 16, bzw. 14 Jahre alt, als sie nach einem Selbstmordversuch ihrer Mutter Marianne aus der Kleinstadt in der Nähe von New Orleans zu ihrem Vater Dennis nach New York ziehen müssen. Dennis ist ein relativ renommierter Schriftsteller, der die Familie vor 12 Jahren verlassen hat. Edie kann ihm nicht verzeihen, dass er verschwunden ist, während Mae zu klein war, um sich an ihn zu erinnern, und sich daher freut, ihn kennenzulernen. Edie empfindet den Umzug nach New York als Verrat an der Mutter, Mae empfindet ihn als Befreiung von ihrer psychotischen Mutter, die sie stark vereinnahmt hat - zumal Mae auch optisch ihrer Mutter sehr ähnelt und sich fast wie eine Erweiterung von Marianne gefühlt hat.
Geschildert wird die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, hauptsächlich natürlich aus Edies und Maes Blickwinkel, aber es kommen auch diverse andere Personen zu Wort, die in irgendeiner Weise etwas mit dieser Familie zu tun haben. Dieses Stilmittel hat mir gut gefallen, denn dadurch werden manche Ereignisse ganz unterschiedlich gedeutet, wie es ja auch im wirklichen Leben häufig vorkommt. Die Handlung spielt auch auf verschiedenen Zeitebenen, beginnend mit den 60er Jahren, in denen Dennis sich der Bürgerrechtsbewegung anschloss und deshalb in den Süden kam, wo er Mariannes Vater kennenlernte. Als sie dann heirateten, war Marianne 17 und Dennis Anfang 30. Er gehört offensichtlich zu den Männern, die die Bewunderung einer deutlich jüngeren, naiven Frau brauchen.
Die erste Hälfte des Buches habe ich noch mit Neugier und Vergnügen gelesen, aber dann erschloss sich allmählich das Ausmaß der Gestörtheit sämtlicher Protagonisten und das wurde mir dann zu viel. Ich konnte weder Sympathie noch Mitgefühl für die Figuren aufbringen und fand die Lektüre zu deprimierend und verstörend. Denn auch Dennis ist gestört - er missbraucht sämtliche Beziehungen in seinem Leben - vor allem natürlich die zu seiner psychisch kranken Frau - als Quellen für seine Romane und seine Beziehung zu Mae gestaltet sich auf sehr fragwürdige Weise. Ich weiß nicht, was die Autorin uns sagen will: vielleicht dient ihr das Schreiben als Therapie? Sie kann zweifellos gut schreiben, aber ich war froh, als ich das Buch endlich ausgelesen hatte. Nicht mein Geschmack!