Mae und Edie

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petris Avatar

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Mae und Edith, genannt Edie, wachsen alleine mit ihrer psychisch kranken Mutter Marianne auf, eine faszinierende, sehr schönen Frau, die, wenn es ihr gut geht, versucht eine gute Mutter zu sein. Nach ihrem Selbstmordversuch wird sie in einer Privatklinik untergebracht, der Vater, Dennis Lomack, ein bekannter Schriftsteller, der sich, seit er die Familie verlassen hat, nicht um seine Töchter gekümmert hat, nimmt sie bei sich auf.

Edie, ein 16-jähriger Teenager will zurück, zu ihrem Freund, in ihre Schule und vor allem glaubt sie, ihre Mutter retten zu müssen. Mae genießt das Leben mit ihrem Vater, weit weg von ihrer Mutter und deren Wahnsinn. Keine einfache Situation, die irgendwann eskalieren muss. Edie haut ab, befreit mit Hilfe ihres Nachbarn Charlie die Mutter aus der Klinik, was natürlich schrecklich schief geht. Und für Mae verschieben sich die Grenzen zwischen ihrem eigenen Ich und der Mutter, sie wird immer mehr zu Marianne, der Mutter. Gefällt das ihrem Vater, nützt er es aus, ist er nur völlig hilflos und weiß nicht darauf zu reagieren?

Sie alle sind gekennzeichnet durch die Instabilität ihrer Person bzw. ihres Aufwachsens und versuchen dennoch mit ihren eigenen Mitteln so etwas wie Stabilität zu erreichen, immer im Hintergrund der Schatten der verschwundenen Mutter und die unklare Rolle des Schriftstellervaters.

Katya Apekina erzählt diese Geschichte, ohne zu werten, ohne zu be- oder verurteilen, sie überlässt es uns Leser*innen zu beurteilen, was wahr ist, was Schuld ist, was Krankheit ist, was Egoismus ist. Dabei lässt sie hauptsächlich die beiden Mädchen zu Wort kommen, flicht aber immer wieder auch andere Erzählstimmen und deren Sichtweise ein, wir hören die Gedanken und Erinnerungen des Vaters, seiner Schwester Rose, der Doktorandin Amanda, die sich Dennis krallen möchte, wir lesen Arztberichte aus der Klinik, Briefe von Marianne und auch von ihrem Vater und noch einige Personen mehr aus ihrem Umfeld kommen zu Wort. Ein Puzzlespiel, das ein Gesamtbild ergibt. Allerdings kein klares, es ist eher verschwommen, verzerrt, passt an den Kanten nicht überall zusammen.

Apekinas Sprache hat mich von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen und mich tief bewegt. Sie zeichnet ihre Charaktere sehr vielschichtig und verwendet ganz viele Grautöne, weit entfernt von Schwarz-Weiß-Darstellung. Dadurch wird man als Leser*in ganz schön gefordert.
„Die Frau erinnert mich total an Mom. Es liegt an ihrer Art zu tanzen, so verzweifelt, aber auch so ganz in sich gekehrt. Sie tanzt nicht für uns, sondern ist tief in sich versunken. Wenn der Raum leer wäre, würde sie ganauso tanzen.“ S. 12
Hier beschreibt Edie ihre Gefühle bei dem Besuch einer Tanzperformance und beschreibt gleichzeitig sehr treffend ihre Mutter, eine starke Szene.

Je tiefer das Wasser ist kein Wohlfühlbuch, die Charaktere sind beschädigt, sie bemühen sich, ein richtiges Happy End, in dem alle gesund und glücklich sind, gibt es nicht. Um so etwas wie Glück zu erreichen, müssen sie sich anstrengen und das Glück bleibt immer brüchig.

Ein faszinierender Roman, der mich noch lange beschäftigen wird und den ich auf alle Fälle weiterempfehlen kann.