Soghaft, geniale Familiengeschichte

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Mae und Edie, die beiden Schwestern 14 und 16 Jahre alt, kommen nach dem Selbstmordversuch ihrer Mutter bei ihrem Vater in New York unter. Die letzten 12 Jahre hatten sie keinen Kontakt zu ihm, Edie war vier und Mae gerade erst auf die Welt gekommen, als der Vater die Familie verließ. Dennis ist war ein gefeierter Star als Schriftsteller in der New Yorker Szene, Marianne seine Muse.

Der Vater versucht die verpassten Jahre zu kompensieren und macht alles für die beiden Mädchen. Edie findet das nur abstoßend, sie will zurück nach Louisiana zu ihrer Mutter, um ihr nach dem Suizidversuch beizustehen. Mae findet New York und ihren Vater faszinierend, sie will bleiben und genießt das befreite Leben ohne ihre psychisch kranke Mutter, deren Opfer sie war. Für Mae ist ihr Vater ein Held, sie verschlingt die Romane, die er geschrieben und stellt sich Sexszenen ganz plastisch mit ihm vor. Ihre Schwester empfindet sie dem als Konkurrenz gegenüber dem Vater.

Edie kehrt mit dem Nachbarn Charly zurück nach Louisiana, um der Mutter zu helfen. In dieser Zeit entwickelt sich zwischen Mae und ihrem Vater eine schwerst obsessive Beziehung. Der Vater hält sich für unzulänglich, dass er es nicht geschafft hat, Edie bei sich zu behalten und stürzt sich in die Arbeit, er will einen neuen Roman schreiben. Mae hatte sich erhofft, wenn ihre Schwester weg ist, die alleinige Aufmerksamkeit des Vaters zu bekommen, jedoch gilt diese nun dem neuen Roman. Und plötzlich erkennt sie, was der Vater benötigt, um schreiben zu können: seine Muse Marianne, ihre Mutter, der sie sehr ähnlich sieht. Mae, verwandelt sich in ihrer Gestik und Art in Marianne und der Vater kann in seinem Schreibwahn zeitweise den Unterschied zwischen seiner Tochter und Marianne nicht mehr erkennen und Mae selbst steigert sich so in die Rolle der Muse für den Vater, dass auch sie nicht mehr weiß, wo die Grenze zwischen ihrer Mutter und ihr selbst ist. Die Beziehung zwischen den beiden schaukelt sich auf, so dass sich die Tochter in den Vater verliebt....


In Rückblenden, die in ganz kurzen Kapiteln gestaltet sind, berichten nicht nur die beiden Töchter vom Leben mit ihrer psychisch kranken Mutter, auch Personen aus ihrer früheren Zeit kommen zu Wort sowie Krankenhausberichte, Interviews und Briefe. Wie ein Mosaik erhält man so ein Gesamtbild der Familie. Sie berichten davon, wie sich Dennis und Marianne kennenlernten, wie die Mutter früher war, schön, heiter, eloquent und wie es mit der Mutter so weit kommen konnte.

Ich fand den Roman sensationell. Der Stil ist so gewählt, dass es meist ein Blick in die Köpfe der Figuren ist und der ist nicht immer angenehm. Der Blickwinkel ändert sich in jedem Kapitel, so dass eine Begebenheit oftmals aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt bzw fertig erzählt wird, jedoch wird hauptsächlich aus der Sicht von Mae und Edie berichtet. Es gibt auch Zeitsprünge, die jedoch überhaupt nicht verwirrend, sondern absolut aufschlussreich sind, um diese psychisch schwer angeschlagenen Familienmitglieder zu verstehen. Das machte auch das Soghafte des Romans aus, man will wissen, was ist passiert, warum verübte die Mutter einen Suizidversuch? Warum hat der Vater die Familie verlassen? Wie entwickelt sich die Geschichte zwischen Mae und ihrem Vater? Die kurzen Kapitel verleiten dazu, sich zu denken „eins geht noch schnell“... und so liest man und liest man und kann es gar nicht fassen, wie unglaublich diese Geschichte ist und wie giftig Beziehungen sein können, so dass es sehr nachvollziehbar und realistisch erscheint, wie die Figuren sich entwickelt haben, welche Folgen so ein Aufwachsen hat – zerbrochene Psychen, diese Darstellung der Charaktere ist der Autorin so sehr nachvollziehbar gelungen.

Ich fand es schade, dass das Ende offen blieb, aber das liegt an mir, ich hab es lieber wenn das Ende fertig erzählt wird.