Ein Roman, der meinen Erwartungen nicht gerecht wurde

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kikii04 Avatar

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Vor 13 Jahren haben sich Mary und Jim kennengelernt. Von Anfang war es etwas besonderes zwischen ihnen, weshalb Mary bald schon zu ihm nach London zog. Sechs Jahre lebten sie dort zusammen, beide waren sich einig, dass ihre Liebe alles war, was sie im Leben brauchten - bis zu dem Tag, an dem Jim ohne ein Wort spurlos verschwand. Sieben Jahre sind seitdem vergangen und Mary ist noch immer fest entschlossen, auf Jim zu warten. Dafür steht sie seit damals Abend für Abend stundenlang an dem Bahnhof, wo sie Jim früher immer abgeholt hat. Doch dann landet ein Video von ihr im Internet und viele Menschen fragen sich: Wo ist Jim?
Die junge Journalistin Alice wittert eine großartige (Liebes-)Geschichte, die sogar ihr eigenes Leben wieder ordnen könnte. Also begibt sich Alice auf eine Suche nach Jim und findet weit mehr als ihn: Sich selbst und womöglich auch eine eigene Liebesgeschichte.

Meine Beschreibung des Inhalts mag dem Klappentext recht ähnlich sein, weil er eigentlich völlig zutreffend ist. Und dennoch hatte ich eine andere Geschichte erwartet. Es kommt hin und wieder vor, dass sich ein Buch ganz anders liest, als man es vermutet hätte, doch meistens bringt einen das am Ende zu einer noch viel überzeugenderen Geschichte. Nun, bei „Jeder Tag für dich“ war das in meinem Fall leider nicht so. Ich kann weder sagen, dass das Buch schlecht ist, noch dass es wirklich gut ist. Ich war einfach irgendwie enttäuscht. Gerade deshalb möchte ich in meiner Bewertung Schritt für Schritt vorgehen, damit mein persönliches Gefühl nicht alles andere beeinflusst.

Beginnen wir mit dem Schreibstil. Er hat mir am Anfang ziemlich zu schaffen gemacht, muss ich gestehen. Ich hatte irgendwann schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass ich überhaupt noch mit ihm warmwerden kann und habe gut die Hälfte der Seiten gebraucht, um wenigstens ansatzweise in einen Flow zu kommen. Der Schreibstil las sich für mich einfach recht langatmig und vor allem extrem verwirrend. Immer wieder hatte ich das Gefühl, einen Teil eines Gesprächs oder eines Gedankengangs nicht mitbekommen zu haben, weil das Ganze irgendwie sprunghaft erzählt wurde und einfach nicht wirklich flüssig wirkte. Dennoch gab es auch Stellen, wo ich die kunstvolle Erzählweise bewundert habe.

Kommen wir nun zu der Handlung an sich. In vielerlei Hinsicht hat mich das Buch stark an „Eine Handvoll Worte“ von Jojo Moyes erinnert. Es macht dann zwar noch einige andere Wendungen, aber im Grunde ist das alles nichts allzu Neues, wie ich zunächst irgendwie angenommen hatte. Die Handlung besteht aus zwei Strängen: Das Hier und jetzt im Jahr 2018 und ein Handlungsstrang, der vom Kennenlernen von Jim und Mary ausgehend ihre gemeinsamen Jahre erzählt. Beide Stränge werden geschickt miteinander verknüpft und dadurch abgerundet. Da kann man wirklich viel Fein- und Fingerspitzengefühl der Autorin erkennen. Ein wenig verwirrend fand ich jedoch die Unterteilung der 2018-Strangs in Kapiteln über Mary und solche über Alice. Irgendwann hatte ich das Gefühl, in erster Linie Alice‘ Geschichte zu lesen und dass Marys Geschichte nur als Sprungbrett diente. Ein Vorteil davon: die Geschichte hat durch Alice‘ Temperament mehr Tempo und Handlung zugenommen. Aber dann kam das Ende und irgendwie hat es wieder gar nicht gepasst. Zuvor war Alice so zentral geworden und plötzlich wurden ihre Probleme nur am Rande noch schnell abgehandelt und angehakt. Schade irgendwie.

Die Thematik war wohl die Sache, welche ich am meisten an dem Roman geschätzt habe und die mich zugleich total verunsichert hat, wie ich zu „Jeder Tag für dich“ stehe. Der Roman ist sehr erschütternd und die Thematik ist eigentlich gar nichts krass Besonderes, sondern theoretisch alltäglich und traurige Realität. Ich finde es super wichtig, dass die angesprochenen Themen in Büchern behandelt werden, auch wenn es die Bücher sehr ernst wirken lässt. „Jeder Tag für dich“ ist alles andere als ein „Wohlfühlroman“ und genau hier liegt wohl der Knackpunkt, welcher dazu führte, dass ich eher unzufrieden mit dem Leseerlebnis bin.
Auf dem Umschlag prangt ein auffälliger, roter Aufkleber, der das Buch als unvergesslichsten Liebesroman betitelt. Was erwarte ich von einem Liebesroman? Liebe. Ganz einfach. Und Liebe beinhaltet sowohl Leidenschaft, als auch Dramatik, das ist mir natürlich klar. Aber ich ließ mich von dem Begriff „Liebesroman“ total in die Irre führen, denn „Jeder Tag für dich“ ist einfach kein „typischer“ Liebesroman, sondern ein Roman, der sich mit Liebe auseinandersetzt. Und wenn man das Buch liest wird einem klar, dass dazwischen Welten liegen. Ich erwarte von keinem Liebesroman, dass er dem Schema A folgt, das wäre viel zu langweilig. Aber ein Liebesroman sollte für mich bestimmte Erwartungen einfach erfüllen: Figuren, die man kennen- und verstehen lernt, Szenen, die einem das Herz erwärmen, große Gefühle, die zum Greifen nah scheinen, und ja, auch eine gewisse Portion Ernsthaftigkeit und Tiefe. Aus all dem sollte es die richtige Mischung sein, und diese mag für jede Geschichte anders aussehen. Bei „Jeder Tag für dich“ hatte ich jedoch das Gefühl, dass dieses Verhältnis nicht stimmte.

Fazit:
Man muss dem Roman zugutehalten, dass er in vielerlei Hinsicht geschickt und durchdacht wirkt, aber mich konnte das eben nicht vollkommen überzeugen. Falsche Erwartungen mögen dabei eine Rolle spielen, aber auch die alles überlagernde Verwirrung und das unpassende Feeling. Die gelungen gewählte Thematik hat meine Bewertung noch einmal verbessert, aber über 3 Sterne kommt der Roman in meinen Augen einfach nicht hinaus.