Entspricht nicht den Erwartungen

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lorireads Avatar

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Wenn man die Werbung für "Jeder Tag für dich" so liest, erwartet man einen gefühlvollen Liebesroman, der einem das Herz aufgehen lässt, vielleicht auch mal ein bisschen wehtut, aber zumindest meist eine positive Grundstimmung hat. Direkt vorweg: Diese Erwartung erfüllt das Buch in keiner Weise und ich glaube mein größter Kritikpunkt ist auch, dass die Werbung völlig deplatziert ist und einfach eine falsche Leser:innengruppe anspricht.
Denn von einem Liebesroman ist dieses Buch meiner Meinung nach weit entfernt. Vielmehr geht es um einseitige, fast toxische Beziehungen, die Erfahrung, verlassen zu werden und wie man mit diesem Verlustgefühl leben kann, um den Verlust des eigenen Selbstwertgefühls und ganz wichtig auch um psychische Gesundheit bei Männern. Letzteres finde ich vor allem durch den Fokus auf Männer, die ja doch oft nichts von diesem Thema wissen wollen, total interessant und es ist toll, dass dieses Buch das so klar und offen anspricht. Auch hier hat mich aber etwas gestört und zwar dass der Fokus weniger auf den Männern mit psychischen Problemen und deren Bewältigung lag, sondern vielmehr auf den Frauen, die darunter leiden und einen Zustand ertragen müssen, der sich nicht ändert, weil der jeweilige Mann nicht bereit ist, sich seine Probleme einzugestehen und sich Hilfe zu suchen.
Die Geschichte um Mary, ihre Aufopferung und ihr jahrelanges Leiden fand ich sehr tragisch, hoffnungslos und erdrückend. Das Buch hat eben nicht die versprochene positive Grundstimmung, sondern zieht einen als Leser eher ein wenig runter. Was an sich auch mal okay ist, aber eben nicht mit einer derartigen Werbung. Toll fand ich gleichzeitig, dass es nicht nur um Mary geht, sondern dass auch die Nebencharaktere sehr eingehend beschrieben werden und man noch viele andere Facetten kennenlernt. Denn Mary allein vermittelt mit ihrem Tun meiner Meinung nach ziemlich falsche Werte und ein sehr ungesundes Selbstbild, was dann doch bedenklich ist.
Abschließend vielleicht noch ein positiver Punkt, den man vielleicht gar nicht erwarten würde, bei doch sehr viel Kritik: Das Buch lässt sich super lesen! Der Schreibstil hat mir gut gefallen und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Die negativen Aspekte kamen bei mir nicht unmittelbar beim Lesen auf, sondern eher beim Rekapitulieren und über das Gelesene nachdenken.
Fazit: Mein Buch war das nicht, aber ich die Autorin spricht immerhin wichtige Themen an und ich kann mir vorstellen, dass das Buch mit einer anderen Erwartungshaltung diese auch erfüllen kann.