Erquicklich

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Abby Greaves „Jeder Tag für dich“ erzählt eine Liebesgeschichte, ergreifend soll sie sein und ein Licht auf wichtige Themen werfen … hält die Geschichte das?

Seit sieben Jahren steht Mary O'Connor unermüdlich jeden Tag nach der Arbeit am Bahnhof Ealing Broadway. Dabei streckt sie ein Schild in Höhe, das Jim auffordert, nach Hause zu kommen. Eigentlich wollten die beiden ja miteinander alt werden, doch vor sieben Jahren verschwand Jim spurlos. Die an ihr Vorbeihastenden nehmen sie gar nicht zur Kenntnis, bis eines Tages eine Journalistin auf Marys Geschichte aufmerksam wird und Marys Welt aus den Fugen gerät.

Wer eine locker leichte Liebesgeschichte erwartet, wird sich getäuscht sehen, denn sie ist oft eher traurig und nur selten zum Lachen (vorwiegend, wenn Alice und Kit aufeinandertreffen). In Rückblenden erfährt man, wie schnell und geradezu traumhaft sich die Beziehung zwischen Mary und Jim entwickelte und man fragt sich, was da vorgefallen sein könnte, dass Jim „einfach so“ verschwindet. Doch je weiter die Geschichte voranschreitet, desto klarer werden auch die Herausforderungen, denen sich die beiden (hätten) stellen müssen. Erst mit fortschreitender Lektüre erfährt man so, was Jims Verschwinden auslöste. Greaves zeichnet ihre Protagonistin so sympathisch, dass man fast nicht anders kann, als mit ihr mitzufühlen – wenngleich man sich hin und wieder schon fragt, warum sie sich den Geschehnissen nicht stellen will, wo sie doch sogar ehrenamtlich selbst bei einem Krisentelefon anderen hilft. Ihrer Protagonistin stellt Greaves mit der Journalistin Alice eine zweite Figur an die Seite, die ebenfalls einen Verlust zu verdauen hat. Jede der beiden geht unterschiedlich mit dem Verlust um – und erst die Begegnung bzw. Konfrontation mit der anderen bringt bei beiden Frauen etwas in Bewegung und damit Linderung ihrer Schmerzen. Letztlich geht es um psychische Gesundheit, um das Einhalten von Versprechen und die (Un-)Fähigkeit, sich Ängsten zu stellen, Bedürfnisse zu kommunizieren – ja, in seinem Leben ohne Egoismus doch an erster Stelle zu stehen. Die einfühlsame, aber wohlaustarierte (will sagen: Greaves drückt nicht nur auf die Tränendrüse) Erzählweise sorgen dafür, dass man während bzw. nach der Lektüre nachdenkt. Abgesehen von einzelnen Längen war das eine erquickliche Geschichte.