Unfassbar rührend

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riraraffi Avatar

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Eine 1,80 m große Frau am Bahnhof in Earling, in den Händen ein Schild, auf diesem geschrieben: “Komm nach Hause, Jim” - das fällt so oder so auf. Dank eines Videos wird auch eine junge Reporterin aufmerksam, die sich bei der Suche nach Jim nicht auf ein Schild beschränken möchte. Sie taucht in das Leben der Dame mit dem Schild, Mary, ein. Dazu gehören im Prinzip nur die Schichten in einem Supermarkt, die freiwillige Arbeit bei dem Seelsorge-Telefon Nightline, das Warten auf Jim und damit das Klammern an Erinnerungen einer einzigartigen Liebe. Kann diese wirklich schon vorbei sein?

Die Geschichte der vierzigjährigen Mary berührt den Leser auf vielen Ebenen. Jeder der einmal verliebt war weiß, wie süchtig dieses Gefühl machen kann, aber auch wie tief der Fall sein kann, wenn diese Liebe vorbei geht. Die Autorin zeigt nicht nur, wie schmal der Grat zwischen unendlichem Glück und bitterer Enttäuschung sein kann, sondern auch, wie es eben zur letzteren kommen kann. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf der Beziehung zwischen zwei Menschen, viel wichtiger wird in diesem Kontext die Beziehung zu sich selbst, in Form von psychischer Gesundheit, beleuchtet. Ein sehr sensibles Thema, welches die Autorin mit einer Menge Feingefühl und Empathie angeht. Jede der Figuren ist auf irgendeine Art betroffen, was in diesem Werk besonders heraussticht, ist die männliche Perspektive. Wie geht es Männern mit Depressionen in unserer Gesellschaft? Abbie Greaves ist es gelungen, diese Frage sichtbar zu machen und durch die Einbettung in die Beziehung von Mary und Jim zudem auch nahbar zu gestalten.
Mary war generell eine, wenn doch verschlossene, sympathische Figur. Vor allem hat sie trotz der Warterei auf einen Mann immer sehr stark gewirkt, ich habe denoch sehr mit ihr gelitten.
Der Schreibstil packt einen, weckt Neugierde und lässt einen jede Emotion selbst fühlen, ich habe das Buch höchstens weggelegt, um meine eigenen Gefühle kurz zu sortieren. Ansonsten habe ich es in einem Durch weitergelesen. Die lange Ungewissheit, die sich am bereits am Anfang der Lektüre einstellt, wird am Ende belohnt. Die Fragen, die ich hatte, werden, wenn auch anders als erwartet, beantwortet und ich konnte das Buch trotz (oder gerade wegen) des ernsten Inhalts mit einem Lächeln beenden.