Gegensätze ziehen sich an?

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naraya Avatar

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25 Jahre lang hatten Lily und Valerie keinen Kontakt zueinander bis sie nach dem Tod von Valeries Mutter in E-Mails wieder zueinander finden. Was geschehen ist, dass die beiden Frauen sich so entzweit haben, bleibt zunächst im Unklaren. Nach und nach rollen die beiden Frauen gemeinsam ihre gemeine Vergangenheit auf, die begann, als sie noch Mädchen waren. Schon damals sind die beiden grundverschieden: Valerie, das zurückhaltende, strebsame, kluge Mädchen mit festen moralischen Grundsätzen und Lily, die Mutige, die sich mehr für Jungs als für Bücher interessiert. Doch aus irgendeinem Grund fühlen sich die beiden verbunden und gründen zusammen einen Rezeptclub. Dieser Club ist es, der sie all die Jahre ihrer Freundschaft zusammenhält, auch wenn sie sich manchmal wenig zu sagen haben.

Reibungspunkte gibt es in der Beziehung der beiden Frauen zueinander viele: Lilys Künstlerdasein und ihr damit verbundener unsteter Lebensstil findet nicht nur bei Valerie wenig Anklang. Auch Isaac, Lilys Vater, scheint immer mehr den Kontakt zu Valerie zu suchen; ist sie doch die Tochter, die er sich immer gewünscht hat. So wird er zum Förderer und Gönner der Freundin seiner Tochter und merkt nicht, wie er durch seine Lieblosigkeit Lily gegenüber einen Keil zwischen die beiden Mädchen treibt. Als Valerie und Lily nun 25 Jahre später erneut über die Ereignisse sprechen, kommt es zum Streit und zum (scheinbar) endgültigen Bruch. Erst der Tod eines lieben Menschen soll die beiden Frauen Jahre später wieder zusammenbringen.

Der Roman, der zum Großteil aus dem E-Mail-Verkehr von Lily und Valerie besteht, lässt sich teilweise nur schwer nachvollziehen. Die E-Mails nehmen oft nicht aufeinander Bezug, so dass man raten muss, was wohl zwischen der letzten und der aktuellen Nachricht geschehen ist. Viele Fragen, die sich die Freundinnen gegenseitig stellen, bleiben so leider unbeantwortet. Im Verlauf des Romans beginnt man sich auch unweigerlich zu wundern, warum diese beide Frauen überhaupt Freundinnen geworden sind. Sie sind lieb- und respektlos, beleidigen sich gegenseitig und betonen immer wieder, was sie an der jeweils anderen nicht mögen. Der eigentliche Auslöser für den Streit, der nach und nach ans Tageslicht kommt, erscheint in diesem Licht eher nichtig.

Auf den ersten Blick scheinen nur die Rezepte ein Verbindungsstück zwischen Valerie und Lily zu sein. Sie haben immer einen Bezug zu dem, was die Mädchen gerade erleben und als wir gegen Ende des Romans eine völlig vereinsamte und trauernde Lily erleben, kocht sie - wie um sich sicher und geborgen zu fühlen - ein Rezept aus den alten Briefen ihrer Freundin. Das Ende des Romans kommt dann recht plötzlich, obwohl es sich eigentlich schon die ganze Zeit über angedeutet hat. Die Lösung ist mir jedoch etwas zu einfach und glatt. Wenigstens wird nun zumindest ein wenig einleuchtender, was die beiden Mädchen aneinander finden - den  Zauber, den eine lebenslange Freundschaft zueinander haben sollte, sucht man hier jedoch vergeblich.

Interessant ist auch der Aufbau des Romans. Er setzt nach dem Tod von Valeries Mutter ein und enthält zunächst die E-Mails aus dem Jahr 2000. Nach dem Bruch der beiden Freundinnen folgt eine Rückblende in die Jahre 1964 bis 1973, die in Briefen geschildert wird. Zusammen finden Valerie und Lily aber erst wieder 2002, wo erstmals ein Abschnitt im Fließtext erzählt wird. Liest man diesen allerdings, so erkennt man den Grund dafür, dass die beiden Autorinnen sich wohl lieber an die E-Mail-Form gehalten haben. Der Stil ist kunstlos und weiß nicht zu überzeugen, es wird nur so dahinerzählt.

Mein Fazit: ein kurzweiliger Roman über 2 Frauen, die sich angeblich lieben und nicht ohne einander können, aber weder loyal noch liebevoll zueinander sind. Wer sich außerdem den Titel des Buches ausgedacht hat (plus dazugehöriges Cover), der hat es wohl nie gelesen, denn Johannisbeeren kommen mit keinem Wort vor.