Johannisbeersommer

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rwe25 Avatar

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Val versucht nach 25 Jahren Funkstille, den Kontakt zu ihrer ehemals besten Freundin Lilly wiederaufzunehmen. Man spürt sofort, dass beiden der enge Kontakt offenbar sehr fehlte und sie sich nichts sehnlicher gewünscht haben als die frühere Vertrautheit iwederaufzubauen. Doch plötzlich reißt der Kontakt wieder ab, wie schon damals vor 25 Jahren, weil die beiden Frauen doch so verschieden sind und der Konflikt von damals noch unterschwellig brodelt und offenbar nie geklärt wurde. Alte Verletzungen brechen wieder auf; Verzeihen ist hier wohl nicht möglich.

Andrea Israel und Nancy Garfinkel gelingt auf geschickte Weise die Enthüllung der Lebensgeschichten beider Frauen, sodass sich dem Leser die Puzzleteile erst nach und nach erschließen. Das Buch beginnt mit dem erneuten Versuch der Kontaktaufnahme nach 25 Jahren, geht zurück in die Kindheit der beiden Mädchen mit der Schilderung des Briefwechsels zwischen 1964-1973 und spannt schließlich den Bogen in die Gegenwart und der erneuten Annäherung der beiden. Der Leser lernt zwei Frauen kennen, die unterschiedlicher nicht sein können. Valerie Rudman, die ruhige, fast unscheinbare, intelligente, und Liliane Stone, die verrückte, lebensfrohe, männerverschleißende. Ihre Eltern sind befreundet, und so werden auch die beiden Mädchen unzertrennliche Freunde. Sie schreiben Briefe, tauschen Rezepte aus, erzählen sich alles und vertrauen sich Geheimnisse an, von denen noch nicht mal ihre Eltern wissen.

Anfangs war ich von diesen "Zeitbrüchen" irritiert und hätte mir gewünscht, dass der frühere Briefwechsel und die Geschichte der beiden in den E-Mails der Gegenwart eingeflochten worden wäre, aber dies wäre sicher zu kompliziert gewesen, den jeweiligen Charakter den beiden so unterschiedlichen Frauen zu verstehen. Auch hätte es den Austausch der Rezepte für mich nicht gebraucht - es hätte ausgereicht, sie in den Briefen jeweils zu erwähnen. So habe ich diese Seiten einfach überblättert. Nachkochen werde ich davon wohl nichts, auch wenn ich eigentlich gern neue Rezepte ausprobiere.

Der Titel hat sich mir auch nicht ganz erschlossen. Die einzige Parallele zwischen Johannisbeeren und der geschilderten Freundschaft ist wohl der säuerlich-süße Geschmack der Beeren und der Tatsache, dass die beiden Frauen wohl weder mit- noch ohne einander können. "Sommerlich" war an diesem Buch jedoch nichts - zumal vor allem der Schluss bewusst kalt und winterlich geschildert wird.

Nichtsdestotrotz hat mir das Buch sehr gefallen (bis auf den etwas zu kitschigen Schluss - Muss es denn immer ein zu konstruiertes Happy End geben?). Freundschaften hat jeder, sodass sich jeder Leser durchaus in die Situation hineinversetzen kann. Zwischenmenschliche Beziehungen entwickeln sich nicht linear, sondern sind durchaus komplex: Missverständnisse und gekränkte Eitelkeiten bestimmen oft die Richtung, in die sich diese Freundschaften dann entwickeln. Die Kunst besteht hier darin, auf die Eigenheiten des jeweils anderen einzugehen und ihn so zu nehmen, wie er eben ist.