Der Weg ist das Ziel

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theresia626 Avatar

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Fabian Sixtus Körner ist von Beruf nicht Schriftsteller, sondern Designer, Fotograf und Innenarchitekt. Nach einer Vietnamreise im Jahr 2007 lässt ihn die Sehnsucht, in die weite Welt zu reisen, nicht mehr los. Nach seiner Abschlussarbeit im Fach Innenarchitektur will er wieder losziehen, diesmal allerdings nicht nur für zwei oder drei Monate. Er will länger fortbleiben „und das Leben in der weiten Welt erkunden.“ (S. 13) Nach der mittelalterlichen Tradition der Handwerkerwalz stellt er seine eigenen Regeln auf. Zehn Regeln, von denen die wichtigste ist, nur für Kost und Logis zu arbeiten. Ausgangspunkt ist im Januar 2010 Wiesbaden, Endstation wird Berlin sein. Von seinem letzten Auftragsjob geht es mit einem One-Way-Ticket von Frankfurt nach Shanghai. 200 Euro hat er in bar, 255,69 Euro sind noch auf dem Konto. Kamera, Laptop und Objekte sind eingepackt. Sollte er in Shanghai scheitern, würde er sich bei seiner Familie das Geld für ein Rückflugticket leihen. Doch das passiert nicht. In Shanghai arbeitet er als Juniorarchitekt in einem renommierten Architekturbüro und macht einen Job, den er nicht gelernt hat. Von April bis Mai 2010 ist er in Kuala Lumpur. Von einem Freund erfährt er, dass die Design Week stattfindet, ein Festival mit Ausstellungen und Vorträgen. In Mumbai trifft sich der Autor mit seiner Freundin Metteline und beide reisen zusammen nach Kaschmir. Wenig später werden erste Risse in der Beziehung sichtbar. Die wohl wichtigste und interessanteste Walzstation ist Bangalore. Es soll ein vertikaler Garten gebaut werden. Während der vertikale Garten am Reißbrett Gestalt annimmt, werden die Abende länger, bier- und rumseliger. (S. 85). Der Reiseweg des „Journeyman“ umfasste die Stationen China, Malaysia, Indien, Ägypten, Deutschland, Äthiopien, USA und Kuba, Dominikanische Republik und Kolumbien. Am anderen Ende der Welt, nach knapp zwei Jahren, findet der Autor völlig unerwartet ein neues Liebesglück. Interessant sind die QR-Codes im Buch, die es ermöglichen, die Reise des Autors nachzuerleben.
Mir hat der Roman gut gefallen. Bewundernswert ist, wie mutig sich der Autor auf eine Reise ins Unbekannte begibt. Er erzählt von sehr persönlichen Ereignissen, von Einsamkeit, die ihn manchmal heimsucht, von waghalsigen Unternehmungen, von lustigen und traurigen Situationen, von Hahnenkämpfen in Santo Domingo und einem Modelwettbewerb in Malaysia. Nach ein paar Monaten packt ihn die Sehnsucht nach einer Scheibe frisches Roggenbrot mit Käse und nach einer Apfelschorle. Der Schreibstil ist angenehm, als Leser fühlt man sich mittendrin, würde selbst gern so viel sehen und erleben. Auf der anderen Seite sind nicht viele Menschen bereit, alle Brücken hinter sich abzubrechen und solche Risiken einzugehen. "Journeyman" ist ein interessanter, lesenswerter Reisebericht.