Lehrreich, zynisch, treffsicher!

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Dank vorablesen.de konnte ich schon vor dem Erscheinungsdatum am 17.09.24 das neue Werk von Olga Grjasnowa lesen. Die 1984 in Baku geborene, heute als Professorin für angewandte Kunst in Wien lebende Autorin mag ich sehr gern, da sie immer wieder neue Perspektiven eröffnet. So auch in “JULI AUGUST SEPTEMBER”:

Die Ich-Erzählerin Lou lebt mit ihrem Mann Sergej und der kleinen Tochter Rosa in Berlin. Sie sind Juden, aber nicht religiös. Dennoch stört es Lou, dass Rosa sich als “Deutsche” bezeichnet und beginnt darüber nachzudenken, welche Identität ihre Tochter, aber auch sie selbst hat. Kurzerhand sagt sie daher zu, eine Reise mit ihrer Mutter nach Gran Canaria zu unternehmen, wo die Großtante aus Israel ihren 90. Geburtstag feiert.

Auf der Kanareninsel kommen sie dann alle zusammen: Die Familienmitglieder, ein ex-sowjetischer Klan, treffen aufeinander. Missgunst und kleine Sticheleien sind an der Tagesordnung, das Essen im All-inclusive-Hotel schmeckt kacke und dann geht Lous Mann Sergej auch noch plötzlich nicht mehr ans Telefon…

Grjasnowas feine und gleichzeitig auch manchmal bitterböse Beobachtungsgabe macht die Geschichte von Lou spannend und unterhaltsam. Die Erlebnisse im Urlaub mit der Familie sind “relatable” - und für mich trotzdem auch unbekannt, geht es hier doch um Identitätsfragen eine jüdischen Frau in meinem Alter.
Ich empfehle euch daher das Buch unbedingt - einzig im letzten Drittel flacht meines Erachtens die Spannung etwas ab und die “Auflösung” der Familiengeschichte hat mich nicht “vom Hocker gehauen.