Ein guter Mensch

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Julius von Berg ist am Mittelrhein aufgewachsen, bevor er sein Talent im Tennis in den 1920er- und 1930er-Jahren voll ausspielen kann. Auch international wird er ein Star in seinem Sport. Seine Frau Julie ist bei den Spielen dabei. Und die Größen im Nationalsozialismus verfolgen sein Auftreten bei den Turnieren ebenfalls. Somit steht für Julius mehr als nur der Sieg auf dem Spiel. Wie soll er sich in diesen Zeiten verhalten? Er muss eine schwierige Entscheidung treffen.

„Julius oder die Schönheit des Spiels“ ist ein Roman von Tom Saller.

Meine Meinung:
Der erste „Satz“ besteht aus acht Kapiteln, der zweite Teil aus elf weiteren, der dritte und letzte „Satz“ aus kurzen Abschnitten. Die Handlung spielt zwischen 1907 und 1938. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Julius. Zudem gibt es einen zweiten Erzählstrang, der im Jahr 1984 spielt. Orts- und Zeitangaben machen die Orientierung leicht.

Der unverwechselbare, unaufgeregte Schreibstil gefällt mir wieder gut. Dem Autor gelingt es, mit wenigen Worten viel Atmosphäre und anschauliche Bilder zu transportieren.

Die Charaktere wirken authentisch. Im Fokus steht zweifelsohne Julius, der Gentleman seines Sports. Er wird als guter Mensch dargestellt, ohne dass er als Figur langweilig erscheint.

Gereizt an der Lektüre hat mich, dass der Roman als eine Hommage an den deutschen Sportler Gottfried von Cramm beworben wird, eine historische Persönlichkeit, über die ich gerne mehr erfahren wollte. Zwar ist die Geschichte von dessen Leben inspiriert. Im Buch heißt der Tennisspieler jedoch Julius. Wie der Autor zugibt, sind die komplette Kindheit und Jugend des Protagonisten erfunden. Auch an anderen Stellen weicht der Roman stark von der tatsächlichen Vita ab, wie im abgedruckten Interview zum Schluss des Buches zu lesen ist. Der Autor begründet seine Veränderungen insbesondere mit der Rücksicht auf die Nachkommen des echten Sportlers. Das ist einerseits etwas widersprüchlich, da er dennoch selbst Parallelen zieht und den echten Namen ins Spiel bringt. Andererseits ist das Buch damit in biografischer Hinsicht für mich leider nichts Halbes und nichts Ganzes. Allerdings muss man Saller zugute halten, dass er sorgfältig recherchiert hat, was unter anderem in der „Anmerkung des Autors“ und in den Quellenangaben nachzuvollziehen ist.

Nur vordergründig geht es um das Tennisspiel. Eine Stärke des Romans ist es, dass er auch ein umfassendes Bild von Politik und Gesellschaft zeichnet. Weitere Themen, die ich nicht vorwegnehmen möchte, machen ihn vielschichtig. Insofern richtet sich der Roman keineswegs nur an Tennisbegeisterte.

Vor allem im ersten Teil konnte mich das Buch nicht so richtig packen. Das Erzähltempo ist langsam. Dann nimmt die Geschichte jedoch zunehmend Fahrt auf.

Das etwas nostalgisch anmutende Cover finde ich äußerst gelungen und passend. Der Titel ist zutreffend, aber ein wenig sperrig.

Mein Fazit:
„Julius oder die Schönheit des Spiels“ von Tom Saller ist ein facettenreicher Roman, der mich sprachlich begeistert, aber inhaltlich meine Erwartungen nicht in Gänze erfüllt hat.