Erzählerisch und inhaltlich beeindruckend

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hiclaire Avatar

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„Julius oder die Schönheit des Spiels“ ist mein erster Roman des Autors gewesen und hat alle meine Erwartungen erfüllt.
Von Beginn an hat mich fasziniert wie vielschichtig Tom Saller diese Geschichte aufbaut. Wie er mit Sprüngen in der die Zeit jongliert, mal länger, mal kürzer dort verweilt und damit für Abwechslung, Tempo und auch eine gewisse Spannung sorgt. Eine übersichtliche Gliederung und ein gut verständlicher Aufbau machen es trotzdem leicht, der Handlung auf den verschiedenen Ebenen zu folgen.

Der legendäre deutsche Tennisspieler Gottfried von Cramm inspirierte Tom Saller zur Figur des Julius von Berg, dessen Lebensgeschichte er in diesem Roman erzählt. Von einer Kindheit und Jugend auf der Burg seiner Familie am Rhein, der Umgebung und den Menschen, die ihn entscheidend geprägt haben, von seiner wachsenden Leidenschaft für den Tennissport und der Entwicklung einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, als Sportler und als Mensch.

Zu jeder Zeit und an jedem Ort begegnet man interessanten Personen, mal bodenständig und mehrheitlich sympathisch wie in Julius` Jugendjahren, später dann gern schillernd und prominent, stets greifbar und authentisch. Tom Saller fängt auch die Schauplätze samt ihrer jeweiligen Atmosphäre wunderbar ein mit ebenso bildhafter wie präziser Sprache. Die ruhige Beschaulichkeit am Rhein und die intensiven familiären Bindungen genauso anschaulich wie die (manchmal fast schon exzessive) Lebenslust des Jetsets in den Roaring Twenties.

Auch der politisch-zeitgeschichtliche Hintergrund ist sehr gut herausgearbeitet, unaufdringlich und genau recherchiert. Der aufkommende Nationalsozialismus verbreitet sich wie ein leises Gift in allen Bereichen der Gesellschaft, überall wird es gefährlich in irgendeiner Weise von der Norm abzuweichen, und macht auch vor dem Sport nicht halt – bis auch Julius vor einer folgenschweren Entscheidung steht. Darüber hinaus gibt noch ein weniger bekanntes historisches Thema, das der Autor hier aufgreift. Nämlich die Bestrebungen nach einem Rheinischen Freistaat, die eine Zeit lang nicht nur die rheinischen Gemüter heftig bewegt haben. Ereignisse, die den Grundstein dafür gelegt haben, dass Julius Zeit seines Lebens nicht viel, bzw. nichts von Politik gehalten hat.

Tennis liefert den Rahmen für dieses Porträt eines außergewöhnlichen Menschen und Sportlers, und das nicht nur inhaltlich. Ich fand es beeindruckend, wie er diesen Sport erzählerisch und sprachlich mit der Geschichte verwebt, Bilder vor den Leseraugen entstehen lässt, Atmosphäre und heutzutage leider wenig aktuelle Werte vermittelt. Ist schwer zu erklären, vielleicht hilft ein Beispiel: „Wenn Tennis eine Sprache ist, drückte sich Velard gewandt und geschliffen aus, schöpfte aus einem umfangreichen Repertoire rhetorischer Mittel und Stilelemente. Im Vergleich dazu rumpelte ich in derbem Dialekt vor mich hin, standen mir nur ein schlichter Satzbau sowie ein begrenzter Wortschatz zur Verfügung. Es reichte, um sich zu verständigen, aber nicht, um Velards Spiel zu verstehen.“ Für mich schlicht und einfach genial! Kein Pathos, keine Überfrachtung, subtile Selbstironie – ich liebe so was!

Julius oder die Schönheit des Spiels ist ein bemerkens- und lesenswerter Roman um eine in Vergessenheit geratene Ikone des Tennissports. Aber der elegante und gleichzeitig süffige Erzählstil ist es, der mir die Lektüre zu einem ganz besonderen Genuss gemacht hat. Prägnante, oft kurze Sätze, aussagekräftig und auf den Punkt und einfach schön. Ein Beispiel noch, gleich von der ersten Seite:“ Es störte ihn nicht zu stehen. Im Gegenteil, er war gewohnt nicht allzu oft zu sitzen. Sein ganzes Leben hatte er sich bewegt – und das Leben ihn.“

Ich bin ein Leser bzw. eine Leserin, die Zitate in Romanen gerne überliest, weil ich sie oft als eher störend empfinde und lieber der Handlung folge. Hier jedoch habe ich jedes einzelne genossen und so manches mehr als einmal gelesen.

Das Cover finde angenehm, ruhig und passend zur Geschichte. Fast noch perfekter ist m. E. der Titel, denn es geht tatsächlich in erster Linie um Julius und das, wofür er steht, als Sportsmann und als Mensch – und nicht zuletzt auch um die Schönheit des (Tennis-)spiels.