Außergewöhnlich

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frollein_wunderbar Avatar

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Die Inhaltsangabe von "Junge mit schwarzem Hahn" hört sich wenig spektakulär an, doch in Verbindung mit dem Titel war mein Interesse sofort geweckt.
Die Geschichte um den elfjährigen Martin ist vom Gefühl im späten Mittelalter einzuordnen. Der besonders kluge und sensible Junge, der nie ohne einen schwarzen Hahn anzutreffen ist, ist der einzige Überlebende einer Familientragödie. Doch statt zu verzweifeln trägt er Sanftmut und Empathie in sich, sehr zum Leidwesen seiner zumeist grausamen Mitmenschen. Gemeinsam mit seinem treuen gefiederten Freund verlässt er sein Heimatdorf, um sich einer schicksalhaften Aufgabe zu stellen.

Es ist ein gesellschaftskritischer Roman. Hier bezieht sich die Autorin gezielt auf in sich abgeschlossene Gruppen und ihre Dynamik. Keiner will wissen, was er eigentlich genau weiß, und keiner will den anderen an Fehler erinnern, oder an Verantwortung, man muss sich somit auch selbst keine unbequemen Fragen stellen. Martin jedoch bringt mit seiner Art die Gemeinschaft dazu, dass eigene Handeln zu reflektieren. Dabei kommt man vor sich selbst nicht gut weg und ein Gewissen ist eine unerquickliche Sache, weshalb das Kind gemieden wird.

Der Schreibstil ist bildhaft und erlebbar, die Figuren werden einem so liebevoll ans Herz gelegt, wenig Äußerlichkeiten beschreibt die Autorin, sie vermittelt vielmehr ein Gefühl, die Ausstrahlung der Personen und lässt dabei eine Zärtlichkeit und Anmut spüren, dass man die Hoffnung in den dunklen Momenten der Geschichte nicht aufgibt, man geht beruhigt mit Martin und dem Hahn den Weg ihres Schicksals, man muss mit ihnen gehen. Man vertraut sich der Hauptfigur an.

Vielfach habe ich die Bezeichnung "Märchen" in Bezug auf dieses Buch gelesen, das geht mir vom Gefühl doch zu weit. Wenn auch manches nicht realistisch sein mag, von Fantasy würde ich nun wirklich nicht sprechen. Es ist vielmehr ein Roman mit mythischen Elementen, der sehr viel Platz für Interpretationen bietet.

Es hüpft einem das Herz bei diesem Witz und Einfallsreichtum, ein großartiges Debüt ist Stefanie vor Schulte da gelungen. Es kam mir länger vor als 200 Seiten, hier allerdings im positiven Sinne! Es ist so detailliert ist und ausgeleuchtet, es beendet alle kleinen Feinheiten, Anfang und Ende begegnen sich. Nach dem letzten Satz ist es für mich vollständig.
Als Jahreshighlight ist es mir jedoch zu grausam, ich mag es etwas verklärter und... naja lieblicher, wenn es auch wirklich keine deprimierende Geschichte ist,so lässt sich die Tragik nicht schönreden.
Es war ein großes Vergnügen, diese herrlichen Sätze zu lesen, Sätze wie Gemälde, wie Musik, kleine Kunstwerke.