Die innere Stimme

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Der Roman „Junge mit schwarzem Hahn“ ist das Debüt von Stefanie vor Schulte.

Inhalt
Am Rand des kleinen Dorfs lebt Martin für sich allein mit seinem schwarzen Hahn. Er war drei, als sein Vater die Familie mit einem Beil erschlug. Nur Martin hat überlebt. Mit ihm der schwarze Hahn, der für ihn Behüter und Freund zugleich ist. Martin ist trotz der erlebten fürchterlichen Tat ein vom Gemüt her freundliches und aufgeschlossenes Kind. Er ist mit wenig zufrieden und sein Hahn ist immer bei ihm. Die Dorfbewohner meiden ihn zwar, aber geben ihm zumindest einen Lohn in Form eine Zwiebel, wenn er ihr Vieh hütet. Der Hahn macht ihnen Angst. Sie sehen in ihm den Teufel. Doch dann kommt der Maler ins Dorf und Martin ergreift seine Chance mit ihm zugehen.

Sprache und Stil

„Als der Maler kommt, um ein Altarbild für die Kirche zu fertigen, weiß Martin, dass er am Ende des Winters mit ihm fortgehen wird. Mit ihm gehen und sich nicht mehr umdrehen.“ (S. 5)

Martins Leben ist trostlos. Er ist überzeugt, keine Zukunft in seinem Dorf zu haben. Erst der Maler, der zu einem Auftrag ins Dorf kommt, erkennt die Besonderheit des Jungen, die darin besteht, dass er über eine sehr gute Beobachtungsgabe verfügt und Zusammenhänge schnell erfassen kann. Er begleitet den Maler auf seinem weiteren Weg nach Beendigung dessen Auftrags.

Sein größter Wunsch besteht unter anderem darin bestehen, das Rätsel einer Kindesentführung zu lösen und den Grund für das Massaker in seiner Familie zu finden. Diese feste Idee bildet den roten Faden und durchzieht die gesamte Geschichte.

Dabei lässt die Autorin in eine grausame Welt blicken, in die der Junge Martin hineingeboren wurde. Man fühlt sich direkt ins Mittelalter versetzt. Der Leser erlebt die Macht der Kirche, die den Aberglauben der Menschen fest im Griff hat. Die Angst vor dem Teufel ist immer präsent. Martins Hahn ist der Teufel in den Augen der Dorfbewohner. Denn der Hahn kann sprechen.

„»Denn alle sagen ich sei der Teufel«.“ (S. 117)

Es gibt Reiter, Grafen, eine Fürstin und Gaukler. Das scheinbare Glück der Adligen, der Fürstin, die alles hat und Martin nichts, wird als falsches Glück aufgedeckt.

Stefanie vor Schulte nutzt eine einfache, reduzierte Sprache mit kurzen Sätzen. Durch diese einfache Sprache entsteht ein Bild, dass das Mittelalter greifbar macht. Wie in einem Gemälde scheint die Geschichte sich abzuspielen. So wie der Kontrast zwischen Gut und Böse, so wird das Gemälde ohne Zwischentöne gezeigt.

Das Cover passt zum Roman. Das Covermotiv ist „Junge mit Pfeife“ (Originaltitel: Garçon à la pipe) ist ein 1905 entstandenes Ölgemälde von Pablo Picasso.

Vor einem floralen Motiv sitzt ein nachdenklich schauender Jungen im blauen Anzug.
Auch im Roman erleben wir einen Jungen mit außergewöhnlichem Charakter. Er unterscheidet sich von den anderen Figuren durch seine aufgeschlossen nachdenkliche, kluge Art. Charaktereigenschaften, die ihm nie beigebracht wurden.

Fazit
Stefanie vor Schulte ist ein absolut eindrucksvoller, lesenswerter Debütroman gelungen.
Sie hat mit Martin eine Figur geschaffen, die sich in andere hineinversetzen kann, trotz aller
Ungerechtigkeiten in der Welt. Martin beweist Mut und Mitgefühl, obwohl er Demütigungen ertragen muss. Er hat Verstand und genau das unterscheidet ihn von den andern. Er bleibt seinen Idealen treu in einer dunklen Umgebung, in der Hoffnung nur schwer entstehen kann.
Treu zur Seite steht ihm der schwarze Hahn, der ihm immer wieder Mut macht. Die Frage bleibt offen: ist der schwarze Hahn seine innere Stimme? Die Stimme, die der braucht, um zu leben?



Junge mit schwarzem Hahn, Stefanie vor Schulte
Diogenes Verlag, 25.08.2021
Leseexemplar als Taschenbuch