Mystisch, düstere Geschichte

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imperatorwilma Avatar

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Martin, elf Jahre alt, hat schon vor langem seine komplette Familie verloren. Ihm bleibt nur mehr ein schwarzer Hahn, der sein treuer Begleiter ist. Dieser schwarze Hahn, kombiniert mit Martins klugen und offenherzigem Wesen, macht er sich immer mehr zum Opfer des Hasses und Furcht der Dorfbewohner. Er ist einfach zu anders, übersteigt den Verstand aller anderen Menschen in seinem Umfeld. Und so ergreift er die Chance, als ein Maler in das Dorf kommt, mit diesem das Dorf und sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. So wird Martin vom Maler eingeführt in eine Welt, die das Spiegelbild Martins zu sein schein: kalt, unbarmherzig und schauerlich.

Beim Lesen taucht man sehr schnell in die Geschichte ein. Geradlinige Erzählung, immer wieder nur unterbrochen von kurzen Rückblenden aus dem Leben Martins. Und gerade dieser geradlinige, reduzierte sprachliche Stil erinnert beim Lesen der Geschichte sehr stark an ein Märchen. Zusätzlich haben wir auch keine genauen Orts- und Zeitangaben, teilweise schon klischeehaft gestaltete Protagonisten und eine recht knapp bemessene Protagonistenpalette. Außerdem arbeitet die Autorin sehr intensiv mit Symbolen und Anspielungen auf Vergangenheit und auch Gengenwart, sodass man mit offenen Augen durch das Buch gehen muss, um diese auf unsere heutige Gesellschaft projizieren zu können. Auch die figürliche Gestaltung ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Wir haben einen sehr starken und interessanten Hauptcharakter - Martin, den die Leserschaft ins Herz schließt, und der mit seiner Weisheit und seiner ehrlichen Art, die beides für einen elfjährigen Jungen ungewöhnlich anmuten mögen, beim Lesen immer wieder überrascht. So bekommt Martin schon beinahe übernatürliche Charakterzüge, wohingegen die anderen Protagnisten recht klischeehaft, knapp und facettenlos erscheinen, und damit genau die Stilmittel eines Märchens bedienen. Wir haben naive Dorftrottel, die sich für die Größten der Welt halten, treu ergebene Freunde und böse Hexen, die die Welt in Atem halten. Und trotz dieses Märchenhaften Settings scheinen immer wieder die Verbindungen zur Gegenwart durch und jeder dieser Protagonisten lässt sich auch heute noch finden.

So hat Stefanie vor Schulte mit ihrem Debüt ein ganz schönes Stück Literatur geschaffen, das zwar einen regen Geist erfordert, aber noch lange nachklingen wird.