Schwärzeste Vergangenheit

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emmmbeee Avatar

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Martin, der Junge mit dem Hahn, scheint im Dorf der Elendeste, der Schwächste, der Hilfloseste zu sein. Er wird getriezt und geschlagen, muss ständig hungern und frieren, ist jedoch das sanfteste und hilfsbereiteste Kind, das man sich denken kann. Als er sieht, wie seine kleine Cousine von einem der schwadronierenden Reiter geraubt wird, ruht er nicht eher, als bis er hinter das Geheimnis der entführten Kinder kommt, sie findet und schließlich befreit.
Ohne irgendeine Zeitangabe scheint die Geschichte im Mittelalter angesiedelt, aber im tiefsten und schwärzesten. Grauenhafte Zustände, tragische Schicksale, Hoffnungslosigkeit und Krankheit, Gewalt und Willkür, Schmutz und Gestank beherrschen den Romanstoff. Als einziges Licht leuchtet dieser rechtlose, schwache Junge, der dennoch so willensstark, gescheit und empathisch handelt. Ihm gilt meine Sympathie, aber auch jedem Menschen, der ihm hilfreich zur Seite steht.
Mit ihrem Debutroman legt Stefanie vor Schulte gleich ein bilderreiches Werk vor. Das Engagement ihrer Agentin hat sich gelohnt, und der Diogenes Verlag wurde ein weiteres Mal zur Startrampe für eine Autorin, auf deren künftige Werke ich mich jetzt schon freue.
Denn sie scheint die geborene Erzählerin zu sein. Kein Wort zu viel, jedes klar und farbig, bewegend die packenden, berührenden Bilder. Die Handlung ist temporeich und spannend, der Stil elegant und flüssig, sodass die 31 Kapitel rasch gelesen sind.
Das Coverbild von Pablo Picasso passt ausgezeichnet zum Inhalt. Kleinformatig gehalten, wird es vom üblichen weißen Diogenes-Hintergrund der Aufmerksamkeit des Betrachters entgegengehoben. Bücher dieses Verlages fallen auf jedem Büchertisch auf.
Ich wünsche mir mehr von der Autorin, aber auch mehr solcher gehaltvoller Debutromane und empfehle das Buch – eigentlich allen Lesern.