'Wissen und Sehen ist nicht eins'

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Der elfjährige Martin besitzt nichts bis auf das Hemd auf dem Leib und seinen schwarzen Hahn, Behüter und Freund zugleich. Die Dorfbewohner meiden den Jungen, der zu ungewöhnlich ist. Viel zu klug und liebenswürdig. Sie behandeln ihn lieber schlecht, als seine Begabungen anzuerkennen.
Als Martin die Chance ergreift und mit dem Maler zieht, führt dieser ihn in eine schauerliche Welt, in der er dank seines Mitgefühls und Verstandes widerstehen kann und zum Retter wird für jene, die noch unschuldiger sind als er." (Klappentext)

Der Roman 'Junge mit schwarzem Hahn' spielt zwar in einer vergangenen Zeit, in einer laut Martin verdammten, schiefen Welt, aber ist sie heute nicht genauso verdammt und schief?
Martin folgt inbrünstig dem Hahn in die tiefste Dunkelheit, um das schon Gewusste wirklich sehen zu können, das was den anderen aus bequem gewählter Dummheit verwehrt bleibt. Mit einem Mitleid schenkenden Blick erspürt er die sensiblen Zonen des vom Balast des schwarzen Reiters erleichterten Pferdes, und zerreist die Grausamkeit der fürstlichen Mauern. Sehen verschafft Ruhe, Wünsche und Hoffnung.

Stefanie vor Schulte glänzt in ihrem Debüt mit einem anmutigen Sprachstil, der melodische Sätze komponiert, die wie ein zart fließender Gesang in den Leserohren schwelgen.

"Aber Marie schaut in sich hinein, in ihre kleine aufgeräumte Seele, in der neben der Freundlichkeit die wenigen Erlebnisse ihres Lebens hübsch aufgereiht nebeneinanderstehen, als würden sie darauf warten, immer wieder betrachtet zu werden, damit man darüber plaudern kann." S.143

Der Leser liest eine Parabel, die an vielen Stellen schon da gewesene Konstruktionen aufweist. Die Botschaft aber, dass Empathie es ermöglicht gemeinsam ungebrochen durch die Dunkelheit gehen zu können, transportiert die Erschaffung der mitreißenden Charaktere.