Spannend, interessant und lebendig erzählt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
rohana Avatar

Von

‚Kaiserstuhl‘ ist der dritte und bisher beste Roman, den ich von der Autorin Brigitte Glaser gelesen habe. Dennoch konnte er mich zunächst nicht völlig überzeugen. Der erste Eindruck von Cover und Klappentext hat mich nur bedingt angesprochen. Das Cover passt zwar hervorragend in die 60er-Jahre, aber außer dem zeitlichen und örtlichen Bezug erzählt es wenig über das, was einen im Buch erwartet und wirkt durch die blassen Farben wenig ansprechend. Der Klappentext verrät eigentlich zu viel über die Geschichte, ohne mich wirklich neugierig zu machen. Dass ich dennoch in das Buch reingeschaut habe, liegt an meinem Faible für Frankreich und meinem Interesse an der deutsch-französischen Freundschaft, über deren Entwicklung ich hier mehr zu erfahren hoffte. Die ersten Seiten des Buches haben mich dann unerwartet schnell gefangen genommen. Die Protagonisten sind lebendig und interessant dargestellt, so dass gleich das Interesse an ihnen und ihrer verwickelten Geschichte geweckt wird.
Leider überstrapaziert die Autorin allerdings das Stilmittel des Szenewechsels so sehr, dass ich lang gebraucht habe, um wirklich in die Geschichte eintauchen zu können. Gerade bei so vielen handelnden Personen braucht man als Leser doch einige Zeit, um anzukommen. Wenn man da zu schnell immer wieder von einem ins andere Setting, in einen anderen Zeit- und Erzählstrang geworfen wird, bringt einen das eher durcheinander als näher an die Figuren heran.
Wenn man es aber erstmal geschafft hat, das alles zu sortieren, dann entfaltet das Buch all seine Stärken und wird zu einer tollen, spannenden, bewegenden Erzählung. Die Autorin hat es hervorragend verstanden, durch die persönlichen Geschichten von Henny, Paul, Kaspar, ihren Familien und Freunden für den Leser miterlebbar zu machen, was Krieg neben den offensichtlichen Zerstörungen im Leben der Menschen anrichtet und wie die Schrecken des Krieges lebenslang nachwirken. Daneben erfährt man einiges über die im Elsass besonders eng verflochtene Geschichte der beiden Nachbarländer.
Brigitte Glaser versteht es, Szenen und vor allem auch Dialoge so zu schreiben, dass sie lebendig und glaubwürdig sind. Daneben gelingen ihr immer wieder Sätze, die nachhallen, die man als Leser mitnimmt, die ich mir markiert habe. Sie zeichnet eindrucksvolle Bilder, hat tolle Idee, schafft auch immer wieder amüsante Momente. Besonders gefällt mir, dass die Autorin authentische, facettenreiche Figuren zum Leben erweckt, die sympathisch, aber nicht fehlerfrei sind und sich dabei weitgehend vor Schwarz-weiß-Malerei hütet. Der Spannungsbogen lässt das Buch immer mehr zum Pageturner werden. Das Ende hätte ich mir ein wenig ausführlicher gewünscht. Da geht einiges zu schnell, und man wünscht sich, noch weiter miterleben zu dürfen, wie es für die verschiedenen Protagonisten nun weitergeht.
Als Extras gibt es am Ende des Buches noch einen kleinen Stammbaum der Hauptfiguren und ein Kapitel ‚Dichtung und Wahrheit‘, in dem Glaser einiges zu den geschichtlichen Hintergründen schreibt.

Fazit:
‚Kaiserstuhl‘ ist spannend erzählte Geschichte aus dem deutsch-französischen Grenzland, vereint schreckliche, schöne, verwickelte, witzige Momente und lässt einen teilhaben am Leben authentischer, sympathischer Protagonisten. Ein Buch, dass ich gern jedem empfehle, der ein wenig in diese Zeit und Region hinein schnuppern möchte.