Leben in einer dunklen Welt

Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
theresia626 Avatar

Von

Hanna Jamesons Roman „Kalter Schmerz“ beginnt mit dem Prolog im Jahr 2000. Der 17jährige Nic Caruana wird von drei Kleinkriminellen überfallen und zusammengeschlagen. Einen dieser Jugendlichen tötet er aus Notwehr. 10 Jahre später ist aus ihm eine Größe in der Londoner Unterwelt geworden. Ohne Beruf und wegen seiner Vorstrafen findet er keine andere Arbeit, so dass er nun als Privatdetektiv für viel Geld andere Leute aufspürt, befragt und später mehr oder weniger verschwinden lässt. Sein aktueller Job ist es, die 16jährige Emma, die Tochter des Waffenhändlers Pat Dyer, ausfindig zu machen. Kurze Zeit später wird ihre übel zugerichtete Leiche entdeckt. Jetzt ist ihr Vater auf Rache aus, und Nic soll die Mörder seiner Tochter finden und ihm übergeben. Für Nic geht große Gefahr von Clare, der Frau des Waffenhändlers aus, zu der er sich seit ihrer ersten Begegnung hingezogen fühlt, auch wenn er zu wahrer Liebe niemals fähig sein wird. Auch Clare ist auf der dunklen Seite des Lebens unterwegs, und Pat liebt seine Frau über alles, so dass Nic sich auf sehr gefährliches Terrain begibt.

Hanna Jameson Roman „Kalter Schmerz“ wird aus der Sicht von Nic Caruana erzählt. Der Leser taucht durch ihn in die Londoner Unterwelt ein, die von Junkies, Psychopathen, Prostituierten und Drogendealern bevölkert ist. Es herrscht Selbstjustiz, von Polizeiarbeit keine Spur und der einzige Polizist, der in diesem Roman auftaucht, DC Geoff Brinks, ist korrupt. Nics Mutter stammt aus Aberdeen, sein Vater ist ein echter Italiener und er hatte alle Voraussetzungen, ein guter Mensch zu werden, doch der Tod des Jugendlichen bringt ihn auf die schiefe Bahn. Er hegt wenig Sympathien für seine Mitmenschen, vielleicht mit einer Ausnahme: er mag seinen Mitbewohner Mark, und auch der findet Gefallen daran, Menschen Schmerz zuzufügen, sogar ihnen das Leben zu nehmen. Das Buch ist voller maßloser und teilweise sinnloser Gewaltexzesse, die dem Leser streckenweise Unbehagen bereiten, und wegen der Folterbeschreibungen kaum auszuhalten sind. „Während ich im Wohnzimmer die sperrigsten Gliedmaßen absägte, (…) und betrachtete die versauten Bettlaken und den Kopf des Mannes, dessen Mund immer noch weit geöffnet von innen am Plastik klebte. Er hing kraftlos wie ein kaputter Liegestuhl an einem armlosen Rumpf.“ S. 72/73 (…) „Ich hatte dieses Geräusch durchaus öfter gehört, aber es erstaunte mich immer wieder, wie es klang, wenn ein Augapfel regelrecht platzte.“ S. 330 (…) „Ich starrte ihn an, zog ein Messer aus der Tasche, riss seinen Kopf am Ohr zur Seite und schnitt das Läppchen des anderen Ohrs ab wie eine Scheibe Roastbeef.“ S. 337 Etwas unglaubwürdig erscheint mir auch der russische Auftragskiller Roman Katz, der zum Ende des Romans als Aufräumer in Erscheinung tritt.

„Kalter Schmerz“ lässt sich schnell und flüssig lesen, dies auch wegen seiner sehr bescheidenen Sprache, und die Charaktere bleiben durchweg farblos. Die Handlung ist interessant aufgebaut, auch wenn sie streckenweise verwirrend ist. Spannung kommt hingegen selten auf. Eine sehr dunkle Welt, in die die Autorin den Leser mitnimmt, und soweit das Auge reicht, trifft man nur auf kaputte und desillusionierte Gestalten. Mir hat das Buch nicht gefallen. Ich ziehe Raffinesse und subtile Spannung vor und habe keinen Spaß an exzessiver Gewaltdarstellung. „Kalter Schmerz“ ist nur Lesern zu empfehlen, die sich mit simplem Nervenkitzel zufrieden geben und blutige Szenen nicht abstoßend finden. Ein Serienauftakt ohne Suchtpotential.