Frauenpower

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rebeccawinter Avatar

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Mit einer Abbildung traditioneller türkisch-orientalischer Iznik-Fliesen weist das Buchcover des Schutzumschlages auf die Ursprünge dieses Familienromanes hin: Alles beginnt in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Darüber hinaus hat der Mare-Verlag dem Buch ein Lesebändchen ausgestattet und jedem Kapitel eine Fotographie aus dem Privatarchiv der Autorin Elizabeth Graver vorangestellt. Vorbildlich ist die Nennung der Übersetzerin Juliane Zaubitzer auf dem Schutzumschlag. Eine sehr feinsinnige Gestaltung.
Der Roman spielt zwischen Biographie und Fiktion. Die Geschichte der türkisch-jüdischen Familie Cohen ausgehend vom Jahr 1907 bis in die 50er Jahre beschreibt zunächst die „schöne Zeit“ in Konstantinopel, dann die Emigration nach Spanien, ausgelöst durch den finanziellen Niedergang der reichen, angesehenen Familie und die politischen Unsicherheiten. Von dort erfolgt die Auswanderung der Töchter nach Amerika.
Obwohl die Männer das gesellschaftlich höhere Ansehen genießen, mehr Freiheiten und Möglichkeiten besitzen, sind es die Männer, die in diesem Buch versagen, schwach sind oder mit neuen Situationen schlecht zurechtkommen. Die Frauen zeichnen sich durch emotionale und/oder intellektuelle Intelligenz aus. Es ist imponierend, wie Mütter und Töchter sich nicht unterkriegen lassen und selbst in schwierigen Lebensabschnitten Würde und Kraft besitzen. Gebunden an gesellschaftliche Konventionen und ihre Liebe und Verbundenheit zur Familie unterstützen sie ihre Männer und Kinder ohne sich selbst zu verlieren.
Die Verfolgung der Juden über Jahrhunderte und insbesondere im 20. Jahrhundert ist dabei Ursache für die Odyssee, insbesondere der im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Tochter Rebecca, aber nicht vorrangiges Thema. Auch jüdische Tradition und Rituale sind nur Rahmen, nicht vordergründig. Das empfand ich als angenehm, weil die Persönlichkeiten so stärker heraustraten.
Elizabeth Graver und ihre Übersetzerin Juliane Zaubitzer haben in einem bildlichen, flüssigen und leicht lesbaren Schreibstil die Geschichte so interessant erzählt, dass es keine langweiligen Passagen gab. Jedes Kapitel habe ich mit Spannung und Freude gelesen. Ein wunderbares Buch, dass mir sehr gefallen hat.
Eine klare Leseempfehlung!