Eine Straße und ihre Bewohner in Südost-London

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elke17 Avatar

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Seit „Strahlend schöner Morgen“ von James Frey, das ich glücklicherweise vorablesen durfte, bin ich ein großer Fan von Romanen, deren Thema Städte und ihre Bewohner sind. John Lanchester bricht dies in seinem Roman „Kapital“ noch eine zusätzliche Stufe herunter und nimmt eine Straße in London als Ausgangspunkt. Wir schreiben das Jahr 2007 und die gesamte Welt leidet unter der Finanzkrise. Das sind die äußeren Bedingungen und der Autor schaut sich die Bewohner der Pepys Road im Südosten Londons quasi unter dem Mikroskop an.

In der Leseprobe macht er uns mit Petunia Howe und Roger Yount sowie dessen Familie bekannt. Petunia wohnt in Nr. 42, ist in der Straße geboren und mittlerweile mit stolzen 82 Jahren deren älteste Bewohnerin. Lediglich während der Evakuierungen im Zweiten Weltkrieg hat sie ihre gewohnte Umgebung für zwei Jahre verlassen und diese Zeit auf einem Bauernhof in Suffolk verbracht. Während Petunia auf den Tesco-Fahrer wartet, der ihr ihre Lebensmittel liefert, kommt sie zu dem Schluss, dass sich das soziale Gefüge in diesem ehemals gutbürgerlichen Wohnviertel verändert und „die Gegend immer vornehmer wird“.

Bestes Beispiel dafür ist der Banker Roger Yount samt Familie, für mich eher typische Neureiche. Natürlich arbeitet er hart, aber es soll auch jeder sehen, dass er sich etwas leisten kann. Und so ist er in einem Geflecht von finanziellen Verpflichtungen gefangen, die ihn unbedingt von einer Prämienzahlung abhängig werden lassen – und eine Million Pfund sollten es dann schon sein. Aber was wird passieren, wenn sie dann doch nicht so hoch ausfällt? Stürzt dann das Kartenhaus ein?

Der interessanteste Aspekt neben der Gentrifizierung war für mich die Notiz, die Petunia in ihrem Briefkasten findet: „Wir wollen, was ihr habt“ – wer das wohl geschrieben hat. Sind das militante Hausbesetzer? Oder radikale Linke, die die gesellschaftlichen Verhältnisse ihn der Pepys Road umkehren wollen?

John Lanchester schreibt gut lesbar und nicht gar so simpel – man muss sich schon konzentrieren, damit man alle Facetten seiner Beschreibungen mitbekommt.

Mir hat die Leseprobe auf alle Fälle große Lust auf das Buch gemacht, gerade weil hier aktuelle gesellschaftliche sowie politische Probleme höchst intelligent und unterhaltsam behandelt werden.