Pepys Road

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zoe2018 Avatar

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Schauplatz ist eine viktorianische Straße in Südlondon, im Dezember 2007: Eine alte Frau wartet auf den Lieferwagen von Tesco. Bereits ihr Großvater hatte das Haus Nr. 42 gekauft. Petunia Howe ist dort geboren und lebt immer noch da. Ganz anders der neureiche Banker Roger Yount mit seiner Familie. Sie wohnen gegenüber in Nr. 51. Er arbeitet in der Londoner City und rechnet dieses Jahr mit einem Bonus in Höhe von 1 Mio. Pfund.

John Lanchesters "Kapital" verspricht eine unterhaltsame und intelligente Geschichte um diese und andere Charaktere und ich wurde nicht enttäuscht: Es geht aufwärts in der fiktiven Pepys Road. Zumindest glauben das die kürzlich zugezogenen Bewohner mit Top-Jobs in der Finanzbranche, als Profi-Fußballer oder Künstler. Die Immobilienpreise steigen, die Ansprüche ebenfalls, bis die Blase Ende 2008 platzt.

Der Autor erzählt mit typisch englischem Humor von sozialen Konflikten in Zeiten der Wirtschaftskrise, dennoch spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Äußerst passend hat er seine Straße nach Samuel Pepys benannt, der im 17. Jahrhundert tatsächlich gelebt hat und in seinen Tagebüchern u.a. von den Wonnen und Qualen des wachsenden Wohlstands berichtet.

Doch nicht alle Profitieren und so finden sich eines Tages merkwürdige Karten, dann DVDs in den Briefkästen der Bewohner: "Wir wollen, was ihr habt." Später folgen Graffitis an den Wänden, tote Vögel und zerkratzte Autos. Der Täter scheint sich bestens auszukennen. Ist Rache sein Motiv? Wenn ja, warum?

"Kapital" hat mir sehr gut gefallen, denn ich interessiere mich für Ereignisse wie die Banken- bzw. Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Menschen. John Lanchester ist ein genauer Beobachter und großartiger Erzähler. Seine Protagonisten sind äußerst treffend und lebendig gezeichnet Den Autor kannte ich bisher nicht, werde ihn aber ab sofort im Auge behalten.

Sogar das Cover ist liebevoll gestaltet: eine Aufsicht auf London, in der Mitte die Themse, oben rechts die Türme des Finanzdistrikts. Jedes Haus ein Unikat. Ich finde, das Cover passt ausgezeichnet zum Titel, denn im Original heißt der Roman "Capital", was im Englischen auch Hauptstadt bedeutet.

Alles in allem ist "Kapital" ein wunderbar beobachtetes, berührendes und gleichwohl humorvolles Buch, das ich nur wärmstens empfehlen kann.