Ganz nett

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nina2401 Avatar

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Als ich die Ankündigung zu dem neuen Roman von Bernhard Aichner gesehen habe, konnte ich es kaum glauben. Ein Roman über Liebe? Da war ich natürlich sehr neugierig und mächtig gespannt.

Aichners Vorliebe für authentische Dialoge sind mir hinreichend bekannt, haben sie doch schon in der Totenfrautrilogie und in Bösland für das gewisse Etwas gesorgt. In Kaschmirgefühl lebt er diese Vorliebe exzessiv aus. Denn das gesamte Buch ist ein einziger Dialog, der sich in einer Nacht abspielt. Ich werde Zeuge, wie Gottlieb immer weiter bei Marie anruft. Denn die Zeiten für solche Anrufe sind begrenzt, wenn ich Aichner Glauben schenken darf, um die ohnehin schon hohen Verbindungskosten nicht in schwindelnde Höhen zu treiben, was ja durchaus passieren kann, wenn man vor lauter Entspannung das Auflegen vergisst. Aber ich schweife ab.

Anfangs fand ich das Gespräch von Gottlieb und Marie sehr interessant. Ich habe die ganze Zeit auf den Megaknaller gewartet, auf die alles verändernde Wendung. So wie ich es von Bernhard Aichner aus seinen bisherigen Büchern gewohnt war. Denn hier schreibt doch ein Thriller Autor. Dachte ich!

Aber das Gespräch zwischen Marie und Gottfried plätschert weiter vor sich hin. Die beiden haben von Anfang an gelogen, dass sich die Balken biegen. Erst fand ich das witzig und dann aber immer weniger. Denn ich verabscheue Lügen und wenn ein ganzer Roman aus Lügen besteht …

Die Dialoge sind sehr authentisch, ich habe tatsächlich das Gefühl, ich belausche ein Telefongespräch, was ja schon seinen gewissen Reiz hat. Aber so wie ich das trotz meiner angeborenen Neugier keine ganze Nacht aushalten würde, wurde es mir auch hier zwischendurch ein bisschen langweilig. Obwohl das Buch nur 188 Seiten hat. Es passiert einfach nicht viel, die Lügen sind haarsträubend, aber das lutscht sich ganz schnell aus.
Das Ende ist dann zwar schon sehr süß, genau wie die Idee, die dahinter steckt. Und Kachmirgefühl ist mit Sicherheit eine der kitschfreiesten Liebesgeschichten, die ich jemals gelesen habe.

Aber dennoch stellte sich bei mir am Ende kein wohliges Gefühl ein. Ich habe vielleicht zu viel erwartet und mehr als ein „ganz nett“ kann ich dieser ungewöhnlichen Geschichte leider nicht geben.