Leichte Unterhaltung für zwischendurch

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happymountain Avatar

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„Ein kleiner Roman über die Liebe“ lautet der Beiname zu Bernhard Aichners neuestem Werk „Kaschmirgefühl“. Genau das ist es auch – ein kleiner Roman. Es sind leider nur 180 Seiten, die der Autor in einem Genre schreibt, das sich weit weg von dem befindet, was man sonst von ihm liest. Der Österreicher ist normalerweise Krimi-Autor und lässt seine Leserinnen und Leser vor Spannung zittern und nicht beben vor Lachen. Beim Hören dieses Buchs passierte mir aber genau das immer mal wieder.

Der komplette Roman besteht nur aus den Dialogen, die Yvonne und Joe am Telefon führen. Aber Yvonne und Joe sind eigentlich gar nicht Yvonne und Joe. Die beiden heißen Marie und Gottlieb, aber bereits beim Namen fangen beide an zu flunkern. Vermutlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn man an einer Sexhotline miteinander spricht, nicht seinen richtigen Namen preiszugeben. Denn genauso passiert es hier. Marie verdient ihr Geld damit, dass sie Männer am Telefon „einheizt“. Aber genau das möchte Gottlieb nicht. Er möchte einfach nur mit ihr reden. Und so passiert es, dass die beiden die ganze Nacht hinweg telefonieren, flunkern, Geschichten erfinden, sich in eben diesen verlieren und vielleicht sogar verlieben.
Zu Beginn denken Marie und Gottlieb, der jeweils Andere möchten sie wohlmöglich nur veralbern. Dem entsprechend werden sie auch mal wütend und lauter am Telefon. Sie legen auf. Sie sind misstrauisch. Aber nach und nach entwickelt sich doch unterschwellig ein leichter Flirt. „Kaschmirgefühl“ wird dabei jedoch selten direkt und nie obszön – aber doch manchmal sexy.

Ich habe diesen Roman, wie weiter oben kurz erwähnt, als Hörbuch genossen und würde es jedem, der Hörbücher mag, auch so empfehlen. Ich denke, vieles von dem, was ich an „Kaschmirgefühl“ mochte, mochte ich vor allem aufgrund der Art und Weise wie die Geschichte hier inszeniert wurde: Das Telefonklingeln am Anfang des Gesprächs, das Schweigen, wenn Gottlieb oder Marie nicht wussten, was sie sagen sollten, die Klangfarben der Stimmen. Alles wirkte sehr authentisch. Das gefiel mir ausgesprochen gut. Es war als lauschte man heimlich über eine dritte Leitung. Der männliche Part wurde übrigens von Bernhard Aichner selbst eingesprochen – da schlägt das Fanherz doch direkt höher. Gottlieb wirkte auf mich die ganze Zeit sehr sympathisch, teils schüchtern, teils neckisch. Das gefiel mir sehr gut. Der Part von Marie passt ebenso wundervoll ins Bild, weil es die Sprecherin versteht, ihrer Stimme genau den richtigen Klang zu geben: lüstern, fordernd, energisch, sanft… hier ist alles dabei. Toll eingesprochen von beiden!
Der Autor hat es geschafft, dass man – obwohl „Kaschmirgefühl“ sehr eintönig geschrieben ist – neugierig blieb, wie es zwischen Marie und Gottlieb weitergeht, was es mit der Erzählung von Gottlieb auf sich hat und vor allem, was am Ende davon an Wahrheit übrig bleiben wird. Marie und Gottlieb bleiben jedoch bis zum Schluss geheimnisvoll.

Am Ende gibt es dann eine kleine überraschende Wendung, die die Geschichte abrundet und mich mit einem Lächeln das Hörbuch ausschalten ließ. Ich persönlich hätte mir jedoch eine etwas krassere Wendung gewünscht, die alles Gehörte in Frage gestellt oder mich mit offenem Mund zurückgelassen hätte – eben ganz im Stile eines Thriller-Autors.