Starke Dialoge

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schmökerwürmchen Avatar

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Die Story beginnt mit einem Anruf bei der Sexhotline. Gottlieb, der sich zunächst als Joe ausgibt, hat seinen Job als Krankenpfleger im Hospiz an den Nagel gehängt, weil er so viel Leid nicht mehr ertragen konnte. Sein Sozialleben sieht eher mau aus, bis vor Kurzem hatte er sich noch um seine Mutter gekümmert. Noch heute lebt der schüchterne Gottlieb in seinem Kinderzimmer.
Gottlieb und Marie sprechen miteinander. Dabei bleibt der eigentliche Zweck eines solchen Anrufs auf der Strecke. Marie versucht zwar gelegentlich, ihn aus der Reserve zu locken, doch Fehlanzeige. Gottlieb möchte lieber nur reden. Gegenseitig erzählen sie sich Geschichten und kommen sich ein wenig näher.

Bernhard Aichner hat mit „Kaschmirgefühl“ bewiesen, dass er auch Liebesromane schreiben kann, der hier so ganz anders daherkommt und mich absolut überzeugen konnte. Seine Stärke liegt definitiv in den Dialogen, die ich auch in den Thrillern geliebt habe.
Dieser kleine, feine Roman besteht ausschließlich aus Dialogen und dem Telefongespräch zwischen Gottlieb und Marie, dass eine ganze Nacht lang andauert.
Auf den ersten Blick handelt es sich um völlig verschiedene Persönlichkeiten, Gottlieb, der Träumer und Romantiker, während Marie die Sache eher realistisch betrachtet und nicht mehr an die Liebe glaubt. Doch die Einsamkeit verbindet. Sie erzählen sich Geschichten und als LeserIn rätselt man mit, was der Wahrheit entspricht. Der Sprecherwechsel ist nur durch Bindestriche gekennzeichnet. Unterbrochen werden die Telefonate durch kleine Pausen, doch Gottlieb bleibt hartnäckig und greift immer wieder erneut zum Hörer, dies ist jeweils durch Angabe der Uhrzeit gekennzeichnet.
Dieser feine Liebesroman hat mich wunderbar unterhalten, die stakkatoartigen Dialoge wirken herrlich erfrischend und haben mich ständig zum Schmunzeln gebracht. Ich fand es spannend, den beiden Protagonisten während ihres Telefonats zu folgen und herauszufinden, wohin das Ganze führt. Ungefähr nach der Hälfte hatte ich eine leise Ahnung, wie die Dinge zusammenhängen. Doch zum Schluss hat mich Bernhard Aichner völlig überrascht, denn das Ende kam für mich absolut unerwartet daher.
Auch die heute altmodische Art der Kommunikation wirkte in dieser kurzen Geschichte schon wieder innovativ.
Bernhard Aichner konnte mich mit dem Wechsel des Genres vollkommen überzeugen, die Dialoge sind definitiv seine große Stärke, das Gespräch zwischen Gottlieb und Marie bleibt mir sicherlich noch lange im Gedächtnis und ich bin völlig begeistert von diesem Liebesroman, abseits vom Mainstraim.
Großartig, bitte weiter so, Bernhard Aichner.