Enttäuschung statt "blühender Landschaften"

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lielo99 Avatar

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Das Buch Kastanienjahre beginnt im Jahr 2018. Elise lebt in Paris und hat eine kleine Boutique, die ihr ganzer Stolz ist. Ihr bester Freund ist Tarek, ein Mann aus Algerien, der wie sie, nicht in Frankreich geboren ist. Zufällig wird sie durch einen Zeitungsausschnitt an ihren Heimatort Peleroich erinnert. Er soll dem Erdboden gleich gemacht werden. Der Ort liegt in der ehemaligen DDR, nahe der Grenze zur BRD. Sie ist erschrocken und möchte bald in den Osten fahren.

Danach gibt es einen Schwenk in das Jahr 1950. Ein Lehrer in Peleroich unterrichtet 15 Kinder, die Deutsche Demokratische Republik befindet sich im Aufbau. Drei Jahre später gibt es Pläne zur Produktionssteigerung und kleine Höfe sollen nicht mehr nur den Eigentümern gehören. Sie werde zu einer LPG zusammengefasst. Der Bürgermeister von Peleroich ist ein Anhänger der Regierung und gleichzeitig auch ein Spitzel der Stasi. Die Menschen des Ortes fürchten sich vor ihm.

Das Buch wechselt immer wieder vom Jahr 2018 in die Jahre ab 1950. Die Autorin ist selbst ein Kind der DDR und das merkt der Leser. Sie weiß, wovon sie schreibt. Es werden die Anfänge des sozialistischen Staates beschrieben, die Einschränkungen und Bevormundungen durch die Regierenden. Immer mal wieder gab es einen Mangel an Konsumgütern und auf Möbel mussten die Menschen lange warten. Aber, es gab keine Arbeitslose, Ausländer oder Flüchtlinge auch nicht.

Kastanienjahre ist eine Mischung aus Historie, Liebe und Familiengeschichte. Interessant für mich, da ich viele Dinge des Lebens im Osten erst auf diese Weise erfuhr. Es macht aber auch nicht vor den Enttäuschungen halt, nachdem die Mauer fiel. Es wurde den Menschen in Ost und West so viel versprochen und nur wenig gehalten. Die vergessenen Orte gibt es dort zuhauf und es ist berührend zu lesen, wie die dort Geborenen damit umgehen. Ein Buch, welches berührt, ein wenig spannend und zudem recht unterhaltsam ist. Ich empfehle es allen, die sich für die Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik interessieren und dabei auf Authentizität der Berichte achten.

Ich habe das Buch als Hörbuch genossen. Gelesen wird es von Wolfgang Berger. Die ungekürzte Lesung erstreckt sich über 667 Minuten.