Gutes Buch, aber es wäre mehr drin gewesen

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katicey Avatar

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Berlin, 1911 - die Waisen und Schwestern Marlene und Emma bekommen eine Ausbildung als Lernschwestern an einer Kinderklinik. Für Waisenkinder eine eher außergewöhnliche und damit nahezu einmalige Chance, die die beiden Schwestern natürlich ergreifen. Auf ihrem Weg begegnen ihnen Hass und Intrigen, Standesdünkel, Unterstützung genauso wie Ablehnung oder Verrat und – erwartungsgemäß - auch die Liebe. Politische Themen dieser Zeit werden im Verlauf der Erzählung kaum angesprochen. Im Vordergrund stehen eher die gesellschaftlichen Ansichten und Rollenbilder.

Die Kinderheilkunde (Pädiatrie) steckte zu dieser Zeit noch in ihren Anfängen. Die Autorin hat die Erkenntnisse aus ihren Recherchen zu diesem Thema immer wieder in die Handlung einfließen lassen. Diese medizinischen Fakten in Verbindung mit den historischen Fakten zu den örtlichen Gegebenheiten und einigen agierenden Personen geben bereits ein vages Bild davon, mit welchen Herausforderungen die Medizin seinerzeit konfrontiert war.

Aber hier wäre mehr drin gewesen. Das eigentlich hochinteressante Thema Pädiatrie kommt meines Erachtens etwas zu kurz bzw. geht unter zwischen dem Auf und Ab der zwischenmenschlichen Beziehungen dieses Romans. Für einen historischen Roman hätte ich mir noch mehr Fokus auf die geschichtlichen Hintergründe gewünscht und weniger Klischees (z. B. arme Waisenmädchen/verzogene Mädchen der Oberschicht), Kitsch und Herzschmerz. Die Geschichte war zumindest im zwischenmenschlichen Bereich leider sehr oft vorhersehbar.

Das Ende des Buches lässt ein paar Fragen offen, aber nicht in dem Maße, dass man sich deswegen den zweiten Teil herbeisehnt. Man kann das Buch ganz gut ohne Fortsetzung lesen und hat trotzdem ein meiner Meinung nach ganz passables Ende.

Im Nachwort erfährt man nochmal einige historische Details und inwieweit es sich bei den Personen und Schilderungen im Buch um Fiktion oder Fakten handelt. Der Teil hätte gern etwas ausufernder sein können.

Trotz meiner Kritikpunkte habe ich das Buch ganz gern gelesen. Die Schilderungen sind anschaulich, es kommen keine wirklichen Längen auf und insgesamt schreibt die Autorin in einem Stil, der sich leicht und flüssig lesen lässt. Gut geeignet für einen grauen, verregneten Nachmittag.