Krankenschwester

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lesefee23.05 Avatar

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„Kinderklinik Weißensee – Zeit der Wunder“ ist der erste Band der Saga „Die Kinderärztin“ von Antonia Blum. Er erschien im November 2020 im Ullstein Verlag.
Marlene und Emma Lindow werden früh zu Waisen. Dennoch haben sie Glück und dürfen nach ihrem Abitur und ihrer Zeit im Waisenhaus eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester in der neu eröffneten Kinderklinik Weißensee beginnen. Diese Ausbildung ist jedoch kein Zuckerschlecken und die Schwestern werden vor schwierige Aufgaben gestellt. Zudem beginnen sie, sich voneinander zu entfernen, denn jede entwickelt eigene Lebensansichten und -interessen…

Die Geschichte um Marlene und Emma Lindow basiert in Teilen auf wahren Begebenheiten. Die Kinderklinik Weißensee wurde 1911 in Berlin gegründet und sollte die damals sehr hohe Kindersterblichkeit senken. Die Anfänge der Klinik dürfen wir als Leser nun an der Seite von Emma und Lene erleben. Diese selbst sowie ihre Erlebnisse sind allerdings frei erfunden, sie treffen aber immer wieder auf Personen, die es wirklich gegeben hat. Diese realen Aspekte und die historisch unglaublich gut ausgearbeitete Handlung haben mich absolut überzeugt. Antonia Blum beschreibt die medizinischen sowie gesellschaftlichen Aspekte der damaligen Zeit sehr authentisch und nachvollziehbar. Sie thematisiert neben der Medizin zudem die damalige Rolle der Frau und die noch vorherrschende Klassengesellschaft und webt um diese Zustände eine mitreißende und zu Herzen gehende Geschichte.
Lene und Emma haben es mit ihrer Vergangenheit nicht immer leicht, so ist es doch absolut unüblich, dass Waisenkinder eine Ausbildung beginnen. Dazu noch als Krankenschwester beim Roten Kreuz... Dennoch bekommen die beiden eine gerechte Chance und beweisen viel Stärke indem sie sich durch die Ausbildung kämpfen. Beide Protagonistinnen sind dabei sehr authentisch dargestellt. Sie sind nicht perfekt und machen Fehler, doch genau diese Ecken und Kanten sind es, die sie so realistisch wirken lassen. Ihnen wird nichts geschenkt, sie haben Gefühle wie Eifersucht und Wut und müssen für ihre Zukunft hart arbeiten. Trotzdem bleiben sie meist zuversichtlich und finden große Freude an ihrem Beruf.
Marlene mochte ich insgesamt ein kleines bisschen mehr - Ihre aufopfernde Art, der große Wunsch nach Wissen und schließlich der entstehende Traum Ärztin zu werden, haben mir sehr gefallen. Emma hingegen empfand ich lange Zeit als etwas naiv und engstirnig, erst zum Ende des Romans wurde sie mir sympathischer, was aber sicherlich auch an ihrer eigenen Entwicklung liegt. Aus der jüngeren und eher bevormundeten Schwester wird nämlich eine junge Frau, die eigene Erfahrungen machen muss und nicht mehr von ihrer älteren Schwester beschützt wird und daran sehr an Stärke und Charakter gewinnt hat.
Als Leser begleiten wir die jungen Frauen auf dem ersten Weg in ihr erwachsenes Leben und in der Welt außerhalb des Waisenhauses. Wir erleben ihre Ausbildung in der Kinderklinik, die erste Liebe und eine große Entwicklung bei beiden Frauen. Die Handlung ist sehr flüssig, mitreißend und vielseitig. Das Leben im Kinderkrankenhaus sowie die Reibereien und Rivalitäten zwischen den Elevinnen wird sehr realistisch beschrieben und entspricht dem Bild, das ich von einer solchen Institution habe. Ich konnte mich sehr schnell in den Roman einfinden und ihn dann nur noch schwer aus der Hand legen. Die Kämpfe, die die beiden ausfechten müssen sind interessant gestaltet ohne dramatisch zu wirken und gerade die medizinischen Aspekte, die immer wieder in die Geschichte eingeflochten werden, haben mir persönlich sehr gut gefallen. Die wechselnde personale Erzählperspektive ermöglicht einen guten Einblick in die Gedanken von Marlene und Emma und lässt die jeweiligen Gefühle nochmal deutlicher werden.
Das Ende des ersten Bands birgt einen gemeinen Cliffhanger, sodass ich nun dem zweiten Teil der Reihe sehr entgegenfiebere!

Mein Fazit: Ein unglaublich guter und historisch ausgezeichnet recherchierter Roman, der viele Aspekte der damaligen Zeit aufgreift und thematisiert. Dabei steht jedoch klar der Lesespaß im Vordergrund, keines der angerissenen Themen wirkt zu dominant oder zu theoretisch. Ich habe das Buch regelrecht verschlungen und vergebe 5 von 5 Sternen für „Kinderklinik Weißensee – Zeit der Wunder“.