Von den Anfängen der Kinderheilkunde

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bellis-perennis Avatar

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Marlene und Emma Lindow wachsen nach dem Tod ihrer Mutter in einem Waisenhaus auf, denn der Vater der Mädchen ist unbekannt. Anders als in vielen ähnlich gelagerten Fällen werden die Schwestern nicht getrennt und dürfen sogar das Abitur ablegen. Eine eher ungewöhnliche Vorgangsweise, die auch während ihrer Ausbildung zu Kinderkrankenschwestern zu allerlei Spekulationen Anlass gibt. Ist vielleicht der Chef der neu eröffneten Kinderklinik der Vater?

Meine Meinung:

Dieser historische Roman lässt sich leicht und flüssig lesen. Man fliegt als Leser nur so durch die Seiten. Die Autorin hat penibel recherchiert, denn die Kinderklinik gab es von 1911 bis 1977 wirklich.

Was ich interessant finde ist, dass die Ausbildung zur Kinderkrankenschwester nur wenige Wochen umfasst und die Prüfung gerade einmal eine Stunde dauert. Das erscheint ein wenig unglaubwürdig. Doch wer weiß, vielleicht war es wirklich so, zumal einige der jungen Frauen ja eher einen Ehemann als eine Anstellung suchen.

Geschickt verquickt die Autorin die Lehr- und Lerninhalte in die Handlung. So erhalten wir Einblick in die damaligen Behandlungsmethoden.

Gut gelungen sind die Charaktere der beiden Schwestern. Die ältere, Marlene, die, als die Mutter starb, schon mit sechs Jahren die Verantwortung für ihre jüngere Schwester übernommen hat, ist die zielstrebigere der beiden. Marlene will unbedingt Kinderärztin werden und das in Berlin, wo erst seit 1908 Frauen zum Medizinstudium zugelassen worden sind. Für ihren Traum arbeitet sie hart.

Emma hingegen hat nicht so hochfliegende Pläne. Sie findet heraus, dass Spiele, Denksportübungen und Kuscheltiere die Ängste der Kinder vor dem Krankenhaus mildern können. Hier ist sie zu Hause und gut aufgehoben.

Die persönlichen Gefühle bzw. Liebschaften sind mir persönlich einen Hauch zu Platz greifend. Hier hätte es ein wenig weniger auch getan.

Gut herausgearbeitet sind die Intrigen zwischen den Elevinnen. Doch auch die eine oder andere ausgelernte Schwester scheint nicht immun gegen Eifersüchteleien zu sein. Guter Geist ist der Pförtner, der manchmal ein Auge zudrückt, wenn Emma oder Marlene es mit dem Ausgang nicht ganz so genau nehmen.

Nicht vernachlässigt wird auch der Standesdünkel, der viele plagt und die wechselnden Koalitionen zwischen den Schülerinnen. Stellenweise ist dieser historische Roman ziemlich sozialkritisch, was mir gut gefällt.

Im Laufe der Zeit erfährt der Leser, wer und warum die schützende Hand über die Schwestern gehalten hat. Doch das Geheimnis, wer der Vater von Marlene und Emma ist, wird vielleicht erst im nächsten Band gelüftet.

Fazit:

Ein gelungener historischer Roman, der in einer Zeit des Umbruchs spielt. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.