Schießen Sie los, junger Mann

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"Schließlich erspähte ich zwischen einer Mama-Puppe und einem Kinderdreirad das Päckchen mit der Aufschrift Box 620 Agfa Clack. Obwohl ich mir noch nie einen gewünscht hatte, wusste ich plötzlich, dass mir ein Fotoapparat fehlte, zu meinem Glück fehlte, und zeigte darauf."

Zum Glück eines jeden Menschen gehören vor allem auch glückliche Erinnerungen. Kostbare Momente die man aufbewahrt. Entweder im Gedächtnis oder aufgeschrieben im Tagebuch. Oft auch als eingeklebtes Bild im Fotoalbum. Markus, der kaum fünfzehnjährige pubertierende Junge, trifft unbewusst eine lebenswichtige Entscheidung. Von seinem Freilos, dass er auf dem Ostermarkt gewonnen hat, sucht er sich als Gewinn die Kamera Agfa Clack. "Eine exquisite Wahl" lobt der Budenbesitzer noch und spornt mit den Worten: "Schießen Sie los, junger Mann" gleichzeitig zum fotografieren an. Und Markus lässt sich nicht lange bitten. Das erste Opfer des vermeintlichen Paparazzi wird Schwester Hanna, die sich unerlaubterweise bei einem Fahrgeschäft mit "Negermusik" aufhält.

Klaus Modick ruft allein in seinem Epilog dutzende eigener Erinnerungen an Kindheit und Jugend wach, sofern man in den 1960er bzw. 1970er Jahren aufgewachsen ist (alle später Geborenen müssen den Roman ohnehin als Geschichtsbuch betrachten). Songtitel, Werbeslogans, Kosmetikprodukte, Zeitschriften. Namen und Begriffe, die man längst vergessen glaubte, steigen aus den Seiten empor und kitzeln in der Nase wie der Staub der Erinnerungen die sie aufwirbeln.

Gleichzeitg erlebt man mit dem jungen Fotografen die damalige Zeit erneut. Den Wandel, die Einstellung, das Leben der Menschen. Modicks Schreibstil ist nicht ganz einfach zu lesen. Etwas ungelenk die Satzkonstruktionen, wenig gefällig die sprachliche Modulation. Aber welcher Fundus verbirgt sich hier zwischen den Zeilen. Ein Leseabenteuer. Das Abenteuer einer Reise in die eigene Vergangenheit und die Vergangenheit unseres Landes.