15 Rückblenden

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Wir nehmen teil an einer Bilderreise, teil an Erinnerungen, die Protagonist Markus auf dem Dachboden wieder entdeckt und sich zurück erinnert, 15 Fotos als ein Stück Zeitgeschichte, so farbig von Klaus Modick erzählt, als ob der Leser mit einemmal mitten ins Geschehen und den pubertären Erinnerungen eines Jungen Anfang der 1960 Jahre gerät.

Es ist turbulent, nicht nur im Nachkriegsdeutschland sondern ebenso im Herzen von Markus, 15 Jahre alt, im Hinblick auf die nebenan eingezogene Clarissa, Tochter des sich in Westdeutschland sesshaft machenden apulischen Eisverkäufers Tinotti. Markus Familie lebt in einem Dreigenerationenhaus. Die Großmutter orientiert sich an Anständigkeit, der Vater an seinen Kriegserlebnissen mit dem Iwan, die Mutter besteht als Hausfrau, Frieden stiftend und Ausgleich schaffend im Hintergrund.
Markus, von Gefühlen übermannt in seiner ersten Verliebtheit zu der Gastarbeitertochter, stößt auf Widerstand bei den Eltern sowie der Großmutter, die sich für die nebenan eingezogenen Spaghettifresser nicht erwärmen kann. Das Fremde ist der Feind und ungeliebt.
Die populäre Schlagermusik verbindet, wie die Mutter, die immer wenn ein Anflug von Widersprüchlichkeiten aufkommt, auf Mozart hinweist im Radio. Die Musik entschärft auch die ansonsten brisante politische Gegenwart. Der Italiener Rocco Granata mit seinen Schlagern, der Gassenhauer „Ramona"oder „Zwei keine Italiener“ verzaubern auf gänzlich unkompliziert naive Art die Hörer und schlagen so eine Brücke zwischen dem Vertrauten und dem Fremden. Denn die Angst des kalten Krieges sitzt tief. Ein Vorratskeller wurde eingerichtet für den schnellen Rückzug im Falle eines Atomkrieges. Die USA, bzw. Kennedy, kann einen Atomkrieg, ausgelöst durch die Kubakrise, gerade noch diplomatisch abwehren.
Eine Sturmflut, die den Vorratskeller unter Wasser setzt, wird mit vereinten Kräften und Hilfe der Tinottis vom Wasser befreit. Die Grenzmauer zum Grundstück der Tinottis fällt dem wirtschaftlichen Aufschwung zum Opfer als durch Einsicht im Kathasteramt die tatsächliche Grenzeinteilung der Grundstücke zutage tritt : Omas Grundsätze gehören der Vergangenheit an. Die Gegenwart bereitet sich auf eine Zukunft im Westen vor, während im Osten die Mauer endgültig Deutschland in zwei Staaten teilt. Klaus Modick schildert detailgetreu, im Sprachgebrauch sowie in herrschender Moral und Tradition, diesen Zeitabschnitt. Der Humor der sich im Leser entfacht, entwickelt sich beim Betrachten von längst Vergangenem und läßt, mit Abstand zu den damaligen Zwängen und Sehnsüchten eines 15Jährigen, schmunzeln.

„Das Foto ist keine Kopie der vergangenen Wirklichkeit, sondern eine Hervorbringung dessen, was wirklich passiert ist, eine Erinnerungsquelle, die, lange vergessen, bei Anblick des Fotos zu sprudeln beginnt.“

Obwohl die auf dem Dachboden gefundenen Klack-Aufnahmen schwarz-weiß Abzüge sind, schafft es Klaus Modick uns in 15 Rückblenden in ein Zeitgeschehen hineinzuziehen, das, so farbenfroh wie er es erzählt, uns umso authentischer erscheint.

„Ich ahnte, dass sich hinter der sauberen Ordnung noch ein anderer Sinn verbarg, der des Todes und der sekundengenauen Vernichtung, jener schaurige Sinn, den die Erwachsenen im Krieg erfahren hatten und dessen Wiederkehr sie als drohenden Weltuntergang fürchteten.“

Die Erleichterung, die ich empfunden habe, ist die, dass diese Zeit mit ihren moralischen Zwängen, Sittlichkeiten, Regeln und Ängsten ebenso vergangen ist, wie die hormonellen Schwankungen der Pubertät.Die 1960er Jahre, Jahre des Wirtschaftswachstums sowie einer Zeit des Aufbruchs und Rebellion der Jugend, ist maßgebend für unsere Gegenwart.

Fast schon vergessen und durch Klaus Modick noch einmal ins Leben gerufen. Nachdenkenswert! Großartig erzählt!