Zeitreise in die eigene Jugend

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ilonar. Avatar

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Es gibt eine ganze Reihe von Büchern gerade aus den letzten Jahren, die das Thema Zeitreisen aufgreifen. Und es gibt Bücher, die ihre Leser mitnehmen auf eine Zeitreise in die noch selbst erlebte Vergangenheit und damit eigene Erinnerungen der Kinder- und Jugendjahre wieder aufleben lassen. Ein solches Buch ist Klack von Klaus Modick.
Modick gelingt es, Leser und Leserinnen mit einem Stoff zu entführen, der mit geringen Änderungen direkt die eigene Kindheit und Jugend erzählen könnte.
Irgendwo in Norddeutschland wächst Markus in dem für die Zeit der frühen 60er Jahre typischen Mief und Spießertum auf. Der Familie geht es eigentlich gut, sie haben durchaus schon vom vielzitierten Wirtschaftswunder profitiert, man hat sogar schon einen Fernseher angeschafft.
Wäre da nicht eine ewig tyrannische Großmutter mit einem leicht verklärten Rückblick auf die Kriegs- und Nachkriegsjahre; wäre da nicht der Vater, dessen ewige Kriegserinnerungen und Einschätzungen über „den Russen“ Markus so unendlich leid ist, es könnte alles in Ordnung sein. Aber Markus quält sich mit einer erträumten und gleichzeitig unerfüllten Liebe zur italienischen Nachbarstochter und mit seiner eigenen Gefühls- und Gedankenwelt sowieso.
All diese Erinnerungen werden von alten Fotos und seiner „Agfa Klack“ zum Leben erweckt, beides hat er bei einer notwendigen Aufräumaktion auf dem Dachboden entdeckt.
Mit seiner alten Kamera, die er einst 1961 auf dem Ostermarkt als Hauptgewinn, als freie Auswahl, bei der Losbude gewählt hatte, hat er die fortan das Leben um ihn herum festgehalten. Stück für Stück schaut Markus sich die alten Bilder an – und erinnert sich. Zu jedem Foto gehört eine Episode seiner Erinnerungen und so fügen sich Kapitel für Kapitel entscheidende Monate in Markus Jugendjahren zu einem Ganzen, das auch von entscheidenden Ereignissen der deutschen und der Weltgeschichte erzählt.
Das Buch beginnt im Frühjahr 1961, Markus erlebt seine Tanzstundenzeit, seine erste Liebe und die Ungerechtigkeit, immer weniger zu dürfen als seine ältere Schwester Hanna. Auf der „großen Bühne“ wird im August 1961 die Mauer gebaut, leidet Norddeutschland im Frühjahr 1962 unter der großen Sturmflut und im Spätsommer versetzt die Kubakrise die Welt in Angst und Schrecken. Alles Ereignisse, die auch Markus und seine Familie betreffen und wenn auch nur in den Kommentaren und Meinungen, die er sich dazu anhören muss.
Dies Buch von Klaus Modick ist auf der einen Seite völlig unspektakulär und auf der anderen Seite trifft es einen beim Lesen mitten in die eigenen Erinnerungen, mitten ins Herz.
Ich verspreche Ihnen, dass die Sonntagsessen bei Ihnen fast genauso abgelaufen sind, dass Sie die Gerüche beim Einkochen von Obst und Marmelade, beim Kuchenbacken wieder in der Nase haben und die mit zum Teil mit längeren Textpassagen zitierten Schlager dieser Jahre zumindest leise mitsummen werden. Selbst dann, wenn auch Sie, wie so viele Jugendliche damals, ja viel lieber Elvis gehört hätten.
Klaus Modicks Roman ist ein absolutes Lesevergnügen. In erster Linie für die Generation der heute etwas 60 bis 70jährigen, aber nicht nur. Große Klasse.