Subtiles Spiel mit unserer Psyche

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
madamebiscuit Avatar

Von

Wie gut kennen wir unsere Kinder? Wie sehr projizieren wir etwas in sie hinein, was sie gar nicht sind?
Pia und Jakob, die Eltern von Luca, sehen sich mit einem „Vorfall“ mit einem Mädchen konfrontiert, den ihr Sohn in der Schule verursacht haben soll. Luca ist sieben und in der zweiten Klasse.
Eine Situation, die die beiden Elternteile unterschiedlich aufnehmen und auch verschieden damit umgehen. Während Jakob voller Vertrauen in seinen sensiblen Sohn ist und mit sehr viel Ruhe und Verständnis reagiert, schafft Pia das nicht. Zu übermächtig werden die Erinnerungen an ihre eigene Kindheit und ihre Erlebnisse.
Immer mehr Raum nimmt die zweite Erzählebene der Ich-Erzählerin Pia mit ihrer Vergangenheit ein. Immer tiefer begleiten wir Lesenden sie dabei in ihre eigene dramatische Kindheit. Es ist schmerzhaft zu verfolgen, was sie selbst erlebt hat und noch schlimmer zu erlesen, wie sehr es sie geprägt hat und jetzt die Beziehung zu ihrem Sohn überschattet.
Gerade dieser Aspekt hat mich sehr umgetrieben. Ist der Verdacht ihrem Sohn gegenüber gerechtfertigt, oder kann sie es nur nicht anders wahrnehmen durch ihre persönliche Situation?
Es ist eine Geschichte, die äußerst subtil mit unserer Psyche spielt und einen dabei immer mehr vereinnahmt. Jessica Lind schreibt treffend und soghaft. Dabei beleuchtet sie nebenbei auch noch absolut gekonnt das Thema Mutterschaft und hält uns hier einen Spiegel vor.
„Die Mutterhaut, die ich trage, passt nicht wie angegossen. Ich bin nicht Aschenputtel, ich bin eine ihrer Schwestern, die sich erst die Ferse abschneiden muss oder den großen Zeh.“ S.57
Einziger kleiner Kritikpunkt für mich ist, dass der Klappentext vermuten lässt, dass es maßgeblich um den Vorfall mit Luca geht. Wobei es dann aber tatsächlich Pias Biografie ist, die im Vordergrund steht.
Ansonsten ein große Leseempfehlung.