Verantwortungslos

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aischa Avatar

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Ich war etwas irritiert von diesem Roman, deutet der Klappentext doch an, dass es vor allem darum geht, zu welchen Grausamkeiten Kinder fähig sind. Schnell wird jedoch klar, dass sich die Geschichte vor allem um die erwachsene Pia dreht und darum, wie deren Erlebnisse in ihrer Kindheit sich auf ihre Partnerschaft und ihre Rolle als Mutter auswirken.

Die Story ist durchaus spannend, nicht zuletzt durch den Gegensatz der klaren, schnörkellosen Sprache einerseits und andererseits der Tatsache, dass sich Pia zunehmend als unzuverlässige Erzählerin entpuppt.

Allerdings mache ich der Autorin einen Vorwurf: Sie beschreibt Vieles, ohne zu werten. Dies ist in einem Roman auch nicht immer nötig. Wenn es jedoch um psychische und physische Gewalt an Kindern geht, ist es meines Erachtens nicht in Ordnung, derartige Übergriffe lediglich mit der eigenen schlimmen Kindheit der Täterin zu erklären. Lind lässt den Teufelskreis von Gewalt und Missbrauch in der Schwebe, ohne ihn wirklich zu hinterfragen oder zu durchbrechen. Hier verlange ich mehr, in der Realität, aber auch in der Fiktion. Es fehlt eine Reflexion oder zumindest ein Ansatz, der über das bloße Aufzeigen von Traumata hinausgeht. Das Gefühl bleibt, dass die Geschichte stehen bleibt, wo sie eigentlich hätte weitergehen müssen. Gerade angesichts der gravierenden Thematik wäre ein tiefergehender moralischer Diskurs wünschenswert gewesen.

Insgesamt ist "Kleine Monster" ein atmosphärisch dichter und spannender Roman, der jedoch mit seiner Zurückhaltung im Umgang mit ethisch herausfordernden Themen einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.