Unerwartetes begegnet einem hier

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Philosophie Schreck meist eher ab, dennoch lohnt sich dieses Buch. Vor allem zur jetzigen Zeit.
Letztlich verändert jede Begegnung die sich Begegnenden, doch wie geschieht das und was passiert da? In seinem Buch geht Charles Pepin der Frage nach, wie Begegnungen funktionieren bzw. wirken, welche Prämissen und Formen von Begegnungen (zufällige, geschäftliche, romantische …) es gibt und vor allem, welche Auswirkungen (bis zu Schwindelgefühlen, wer hätte das gedacht?!) und Bedeutung Begegnungen haben (für jeden einzelnen selbst, daraus resultierend aber wiederum für unser gesamtes Zusammenleben). Durch den von den großen Philosophen bis zu Musik und Film gespannten Bogen ist das Buch nicht einseitig und man versteht: Begegnungen sind notwendig – auch um sich selbst zu (er)kennen. Gerade vor dem Hintergrund einer Pandemie, die viele Menschen dazu zwingt, die Zahl ihrer Begegnungen zu reduzieren, erkennt man dann auf Basis von Pepins Ausführungen, was das mit Menschen macht, wie gravierend die Folgen sein können.

Wer Philosophie scheut, dem sei die „Angst“ genommen: Natürlich ist dies ein philosophisches Werk, aber es ist nicht dröge, da Pepin auch andere Wissenschaften zu Worte kommen lässt, einen sehr breiten Fokus hat und zahlreiche Beispiele zur Veranschaulichung seiner Gedanken anführt. Pepin liefert eine gut lesbare, laienkompatibe Darstellung des Themas, kein philosophisch abschließendes Werk. Das war offenbar aber auch nicht sein Ziel, sondern die Aufmerksamkeit seiner Leser auf Begegnungen und ihre „Funktionsweisen“ bzw. „Nutzungsmöglichkeiten der Funktionsweisen“ zu lenken. Ob dafür die Philosophie mit ihren Denkschleifen die geeignete Wissenschaft ist, dürfte vom jeweiligen Leser abhängen, denn etwa die Neurobiologie käme schneller zum Ziel. Mit einigen Thesen, Ansichten, Ausführungen Pepins wird man konform gehen, anderen wird man vehement widersprechen (so war es jedenfalls bei mir), aber wenn man wie Pepin sinngemäß konstatiert nach der Lektüre Unerwartetes begrüßt, ihm offen BEGEGNET, hat Pepin sein Ziel vermutlich erreicht und vielleicht sogar unsere Art, mit anderen umzugehen zum Guten verändert. Insgesamt reicht es für 3,5 Sterne, die der Relevanz des Themas wegen – vermutlich werden wir Begegnungen nach den vielen Kontaktbeschränkungen erst wieder lernen müssen und dieses könnte das richtige Lehrbuch dazu sein – aufgerundet werden.