Scheitern und Ankommen im Alltag

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toniludwig Avatar

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Von Nele Pollatscheck, die zuletzt mit ihrem Buch über England bewiesen hat, dass sie erfrischend und pointiert schreiben kann, erschien nunmehr ihr zweiter Roman >>Kleine Probleme<< bei Galiani–Berlin.

Der 49jährige erfolglose Schriftsteller Lars, Partner von Johanna und Vater zweier Kinder, sitzt zum Jahresende verlassen und verlottert im verwaisten Haus und versucht, sein Leben wieder so zu ordnen, dass
er vor sich selbst und vor allem vor seiner Familie bestehen kann.
Er hat mühsam eine Erledigungsliste mit 13 Punkten erstellt und geringe Motivation, all seine mit diesen ausstehenden Aufgaben verbundenen Probleme noch zeitnah zu lösen.
Und natürlich gibt es immer gute Gründe, Dinge zu verschieben oder hintenan zu stellen oder sich einfach gute Erklärungen einfallen zu lassen, warum die fristgerechte Abgabe einer unerträglichen Steuererklärung
quasi scheitern muss, wer kennt das nicht.

Und Lars macht es sich dabei nicht leicht - und Nele Pollatscheck dem Leser leider auch nicht.
Der Roman beinhaltet eine Menge Spass, etwa wenn Johanna sagt, dass ihr beim Putzen immer die besten Ideen kommen und bei Lars kommen diese beim Fernsehen, daraus folge die entsprechende
Aufteilung.
Und das Sinnieren über Übermut und Untermut und Mittelmut macht beim Lesen ebenso Vergnügen, wie die mit Kapitalismuskritik verbundene Beschreibung einer Aufbauanleitung eines Bettes
eines grossen schwedischen Möbelhauses, welches sich auf Korea reimt, aber eben nicht sehr gut.

Der Leser findet sich wieder im Wirrwarr der Strichmännchen und Schraubenzeichnungen und Nummern, obschon uns Gott doch das Geschenk der Sprache gegeben hat und mit dieser hantiert Pollatscheck
in vielerlei klugen Exkursen zu einer Menge von Problemen unserer Zeit.

Anstrengender aber wird es da schon beim Nachvollziehen des Zusammenbaus, da den einzelnen Teilen Namen wie Pleumel, Nieze oder Plodden verpasst werden und diese nun irgendwie zusammenfinden müssen.

Und Sätze wie >>…dass man nicht ernsthaft putzen kann, ohne über Chaos nachzudenken, und dass man dann auch sofort beim zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ist, bei der Irreversibilität der Entropie, beim
lauwarmen Rauschen der Materie, bei elektrischen Schafen und der Apokalypse …<< durchziehen das Werk immer wieder, ohne Sprachfluss und Handlung zu befördern.

Die Spannung des Romans (der auch eine Erzählung sein könnte) indes entsteht aus der Frage, wie mag es wohl ausgehen, mit Lars und all seinen Vorsätzen, die förmlich nach Scheitern schreien,
aber dadurch im Alltag wohl doch keine so grossen Wunden hinterlassen würden.

Und so beantwortet Nele Pollatscheck an eines Stelle exemplarisch selbst den Charakter ihres Buches :

>>Es ist alles zu viel. Die Steuer und das Klima, der Krieg und Spam und Postdienst und Afrika und das die Kinder fast erwachsen sind. Dass man endlich mit dem Rauchen aufhören muss. Dass man trotzdem sterben wird.
… Das ist alles zu viel, und es ist alles zu wenig.<<