Ein würdiges Jubiläum

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
singstar72 Avatar

Von



Ich bin mit gehörigen Erwartungen an dieses Buch heran gegangen. Kluftinger war mir ein Begriff – wenngleich auch ein vager. Vor vielen Jahren hatte ich „Milchgeld“ gelesen, den ersten Band der Kultreihe. Davon ist mir noch ein Eindruck von teils bissigem Humor und einer eher untergeordneten Kriminalhandlung geblieben. Nun wurde „Klufti“ also 15 Jahre alt – Klufti als Produkt natürlich. Mir war klar, dass das Buch in irgendeiner Hinsicht besonders sein würde. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht; eher noch übertroffen.

Ich möchte über die „Handlung an sich“ nur am Rande sprechen – denn auch für das Buch als solches steht sie nicht wirklich im Vordergrund. Ein Kennzeichen der Reihe scheint geblieben zu sein, dass die Krimis eher eine Art „Bühne“ abgeben für allerlei Humoristisches, teils Kluftinger, teils das Allgäu und die Polizeiarbeit betreffend.

Schon das Eröffnungskapitel platzt beinahe vor satirischem Witz. Kluftinger macht an Allerheiligen mit seiner Familie den traditionellen Spaziergang über den Friedhof, trifft Nachbarn, ratscht, zeigt stolz seinen Enkel her – und entdeckt, Kreuzkruzifix, sein eigenes Grab, offenbar von jemandem angelegt, der ihm übel will. Selbstverständlich endet die Veranstaltung im Wirtshaus, wo die Seitenhiebe auf Klufti prasseln, und erste Gedanken bezüglich des Täters geschmiedet werden.

Das ist das Grundmotiv, und ich finde es für einen Jubliäumsband gut gewählt. Kluftinger selbst steht im Fokus eines Verbrechens – eines geplanten, wohlgemerkt. Alle paar Kapitel ergibt sich ein neuer Verdacht, wer dahinter stecken könnte. Insgesamt drei bis vier ehemalige Straftäter werden so im Buch erwähnt. Jedesmal ist das ein Anlass für eine Rückblende – wie kam es zur Verstrickung Kluftingers in die jeweilige Angelegenheit? Ein weiteres Merkmal des Jubiläumsbandes – wir erfahren viel über den Kommissar, aus seiner Jugend, seiner Laufbahn, seinem Privatleben.

Der Krimi schreitet dabei eher gemächlich voran – nicht unspannend, aber doch ohne große Dramatik. Erst im letzten Viertel zieht das ein wenig an. Es gibt zwei versuchte Anschläge auf Kluftinger, und der Verdächtige wird auch gefasst. Aber das Ende bleibt dennoch offen; einige Fäden sind noch nicht geklärt. Sehr geschickt von den Autoren – so lassen sie sich mehr als nur ein Hintertürchen offen für eine Fortsetzung!

Das alles erklärt noch nicht wirklich meine Begeisterung für dieses Buch – und begeistert bin ich! Zumal als relativer Kluftinger-Neuling. Ich fand mich sofort bei Kluftingers zurecht, fühlte mich wie ein Teil der recht verschrobenen Gemeinschaft. Ich habe Tränen gelacht, und doch auch einiges mitgenommen, was literarischen Wert hat.

Fangen wir mal an…! Sehr genial fand ich die Verwendung zahlreicher „running gags“, die sich mir teils indirekt erschlossen haben. Zuvorderst natürlich das Geheimnis um Kluftingers Vornamen, das auf so originelle Weise gelüftet wird (sein Name steht auf dem Grabkreuz, das der ominöse Fremde errichtet hat). Dann Kluftingers Verhältnis zu seinen Vorgesetzten, seine offenbare Sturheit und eigenwillige Ermittlungsmethode. Seine Scharmützel mit seinem Vater. Seine schreiend komische Unfähigkeit gegenüber Fremdwörtern, und literarischen oder sonstigen Anspielungen. Und seine Unbeholfenheit in alltagspraktischen Situationen. Teils las sich das wie bei Mr. Bean – zum Beispiel als Kluftinger seinen Enkel hütet, oder als er seine Trommel auf dem Dach eines Smart befestigen muss, um rechtzeitig zum Konzert zu erscheinen…

Sehr gut waren meiner Ansicht nach die Rückblenden – sie würden einen eigenen Roman ergeben. Wir erfahren viel darüber, wie Jugendgruppen aufgebaut sind – und dass der Anführer nicht immer beliebt ist. Wie kam Kluftinger zur Kripo? Sein Vater sah ihn eigentlich als Streifenpolizist, vermutlich, weil er selber nie darüber hinaus kam. Doch Kluftingers heimliche Schlauheit zahlte sich aus. Wie Kluftinger seine Erika kennenlernte, und seinen Eltern vorstellte… das war eben nicht nur komisch, sondern auch aus dem Leben gegriffen. Solche Szenen spielen sich nicht nur im Allgäu ab! Man versteht als Leser nun viel besser, was Klufti mit seiner Ehefrau verbindet.

Ein für mich sehr besonderer Kunstgriff in diesem Buch ist außerdem, dass ein anderer bekannter Allgäuer Kommissar eine Gastrolle erhält, und zwar Hubertus Jennerwein aus dem berüchtigten „Bindestrich-Kurort“, erfunden von Jörg Maurer. Die Autoren haben sich offenbar vorab verständigt, dass sie sich gegenseitig in ihren neuesten Büchern auftreten lassen wollen. Klüpfel und Kobr haben das sehr intelligent und vor allem witzig gelöst. Jennerwein hat sich damals auch um einen Posten im Kempten beworben… aha! Und damals hat sich Klufti darum gedrückt, seinen Vornamen zu nennen… ich habe mich köstlich amüsiert!

Das Allgäu selbst hat gewissermaßen eine eigene Nebenrolle im Buch. Man merkt auf jeder Seite, dass die Autoren – liebevoll und augenzwinkernd – eigene Erfahrungen verarbeiten. Die Rolle von Tradition, speziell religiöser Feiertage. Aufgeblasene Vorgesetzte. Die eher unkonventionell geleistete Amtshilfe zwischen Dienststellen. Volksfeste und Musikgruppen. Tratsch zwischen Nachbarn. Allgäuer Essen. Und erst diese herrlichen Flüche… Kreuzkruzinesn, zefix!

Insgesamt hat mich das Buch mehr als motiviert, mich ausführlicher mit Kluftinger zu beschäftigen. Ich muss zum Beispiel unbedingt wissen, wann und wo er bei einer Ermittlung in ein offenes Grab gefallen ist…! Das Buch hat mich einige Tage lang erfolgreich ins Allgäu entführt. Und es ist eben doch mehr als nur Unterhaltung – mehr als die Summe seiner Teile. Unbedingte Leseempfehlung!