Sex, Drugs and Fine Dining

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Rezension zu "Kochen am offenen Herzen" von Max Strohe

In diesem teils autobiographischen, teils fiktiven Roman erzählt der Spitzenkoch, dessen Restaurant mittlerweile sogar mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, von seinen "Lehr- und Wanderjahren", wie er die verrückten und äußerst wilden Jahre seines Aufwachsens und Erlernens des Kochberufs selbst bezeichnet.
Kürzlich wurden nicht nur sein Service-Team und sein Sommelier mit begehrten Auszeichnungen geehrt, sondern auch Max Strohe selbst vom Rolling Pin zum Chef des Jahres gewählt worden. Nebenbei ist er gefühlt ständig in dem Genuss zugeneigten deutschen Fernsehformaten zu sehen - Kitchen Impossible, The Taste und andere Shows rund ums Kochen, Schmecken und Essen.

Es scheint als würde Max Strohe, dem grade mal 40jährigen aufsteigenden Stern am deutschen Kochhimmel, alles gelingen was er rund um den Herd so angreift.
Doch wie sein Buch "Kochen am offenen Herzen" vermuten lässt, war dem nicht immer so. Ganz und gar nicht nämlich. Denn selbst wenn nicht alles im Buch (wie es am Anfang erwähnt wird) tatsächlich genau so passiert ist, ist es noch immer arg genug wie ich finde und kann man nur froh sein, dass Max dann doch immer wieder noch rechtzeitig richtig abgebogen ist in seinem Leben und er sein Talent nicht in einem Straßengraben hat liegen lassen. Dort hielt er sich nämlich Zeit seines jugendlichen Lebens gern mal auf - tatsächlich UND metaphorisch.

Sehr viel Drogen, sehr viel Sex, sehr viel Faulheit und Nichtstun, gleichzeitig vielharte Knochenarbeit um sich Geld für Drogen und andere Exzesse zu verdienen. So lässt sich der Großteil des Buchs inhaltlich zusammenfassen. Warum das Lesen darüber aber überhaupt nicht fad ist und einen irgendwie in eine andere Welt entführt, die das Buch zum Pageturner werden lässt, liegt vermutlich am echt guten Schreibstil des Autors. Ich mag seine teils wirre Aneinanderreihung von Sätzen und Wörtern. Die oft manuskriptartig zusammengefassten Abschnitte seines Lebens. Die Unverblümtheit und Selbstverständlichkeit mit der er über sehr intime Momente, seelische und körperliche Tiefpunkte und miese Entscheidungen schreibt.

Max Strohe lässt die sprichwörtlichen Hosen vor seinen Leser:innen runter. Als mache er ein Geständnis vor sich selbst. Eine Art Beichte. Vielleicht musste er sich einfach alles mal von der Seele schreiben und damit gleichzeitig einen Teil seiner Persönlichkeit konservieren, der so diametral zu dem steht, was der Autor heute verkörpert.
Wer Max Strohe nur aus dem Fernsehen oder als berliner Koch kennt, wird einen ganz neuen Eindruck von ihm bekommen und nebenbei auch noch Einblicke in die verschiedenen Facetten der Gastronomie und dass Koch eben nicht gleich Koch ist.

Ein unverzichtbares Buch für alle, die sich für die gehobene deutsche Küche interessieren, für Strohe-Fans, Kitchen Impossible - Süchtige oder die auf authentische "Aus-der-Gosse-zum-Star"-Geschichten stehen.