Eingeschneit zwischen Schweizer Kühen

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marapaya Avatar

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„Es waren zwei Königskinder, die hatten einander so lieb...“ diese alte Volksballade ist eines meiner Lieblingslieder. Bei jedem Blick auf das Cover von Alex Capus' neuem Roman sang es in meinem Kopf gleich los und ich hatte Sorge, dass Capus seine Geschichte eventuell an das Lied angelegt haben könnte, denn für die beiden Königskinder nahmen die Strophen kein gutes Ende. Das war aber eigentlich auch der einzige Wermutstropfen an dem Roman, den ich wirklich sehr genossen habe. Ich mag Capus lockeren, unterhaltsamen Ton, den er dem in seinem Auto eingeschneiten Ehepaar verpasst. Diese kleinen Kabbeleien zwischen den beiden sind wirklich amüsant und erzeugen eine angenehme Atmosphäre, die sich auch auf die Geschichte in der Geschichte überträgt. Der Ehemann erzählt zur Überbrückung der Wartezeit, am Morgen wird hoffentlich die Schneefräse kommen und die beiden befreien, eine Geschichte aus der Gegend, die im späten 18. Jahrhundert spielt. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einem verwaisten Kuhhirten und einer reichen Bauerntochter, die die beiden durch nicht vorhersehbare Umstände mitten hinein in die französische Revolution katapultiert. Eine Erzählmischung aus Heldenlegende und Kunstmärchen, welche der verheiratete Erzähler immer wieder gegenüber seiner kritischen Frau mit von seiner Seite geprüften historischen Fakten untermauert.
Beide Storys sind für sich genommen einfach gestrickt, doch zusammen helfen sie sich gegenseitig. Den kabbelnden, sarkastisch-humoristischen Ton des eingeschneiten Paares kann der erzählende Ehemann nicht ganz ablegen und so bringt er einen modernen Schwung in die 250 Jahre alte Geschichte. Spannung baut Capus zudem auf, indem er zwischen den Zeitsträngen springt, den Erzähler zurück in seine Gegenwart bringt und das Ehepaar über einzelne Aspekte des Erzählten diskutieren lässt, der Kuhhirte und seine Bauerntochter müssen dann warten, wie es mit ihnen weitergeht. Mit einer unterhaltsamen Leichtigkeit webt Capus außerdem die Weltgeschichte mit ein, wie nebenbei ist man mittendrin in der französischen Revolution oder geht auf Jungfernfahrt hoch durch die Lüfte mit einem Ballon. Und dank der Assoziation zur traurigen Ballade von den zwei Königskindern kann man sich bis zum Schluss nicht sicher sein, für wen es ein Happy End geben wird.