Etwas zu seicht

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dj79 Avatar

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Max und Tina sitzen in ihrem Auto in einem Schneesturm fest, weil sie mit der Arroganz einheimischer Kenner unbedingt bei drohendem Unwetter einen gesperrten Alpenpass überqueren mussten. Bevor die beiden in den Straßengraben rutschen, ist ihre Kommunikation ein stetiges Gezeter über die Nichtigkeiten des Alltäglichen. In dem Moment, wo sie festsitzen und bis zum nächsten Morgen über Stunden ausharren müssen, ändert sich der Umgangston, insbesondere der von Max.

Um die Zeit zu überbrücken, seiner Frau die Angst vor Kälte und Hunger zu nehmen, erzählt er Tina die Geschichte über den jungen Kuhhirten, Jakob, und seiner Liebe zu Marie, der Tochter eines reichen Bauern. Das Ganze spielt zur Zeit der Französischen Revolution und klingt phasenweise wie ein Märchen.

Ich muss allerdings feststellen, dass Max kein wirklich guter Märchenerzähler ist. Seine Formulierungen stammen aus Politik und Wissenschaft und klingen somit etwas hölzern. Anstatt „ So lebten sie lange glücklich und zufrieden...“ sagt er Dinge wie „Sie haben ein schönes Obdach, ein bedingungsloses Grundeinkommen und reichlich zu essen, und das bisschen Arbeit, das sie dafür zu leisten haben, ist zu zweit nun endgültig nicht mehr der Rede wert.“(S. 158). Ohne diese, ein Schmunzeln erzeugenden, Formulierungen wäre mir sein Märchen letztlich auch zu vorhersehbar und schnulzig.

Das Wechselspiel zwischen der Szenerie im Auto und der Geschichte zu Zeiten der Französischen Revolution ist Alex Capus gut gelungen. Max führt uns dabei in die Märchenwelt, Tina holt uns in die Realität zurück. Die zwei Handlungsstränge sind so auch ganz ohne Kapitel schön von einander abgegrenzt. Gefallen hat mir auch seine Auseinandersetzung mit Regeln und Gesellschaftsnormen, die, ohne den Lauf der Geschichte zu stören, mit ihr verwoben ist.

Obwohl ich den Schwerpunkt eher auf Seiten von Max und Tina erwartet hatte, hat mir „Königskinder“ als Lektüre für zwischendurch insgesamt ganz gut gefallen. Der Roman wird bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen und ist daher aus meiner Sicht ein „Kann“, aber kein „Muss“.