Ueberlebt

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Es war mutig von Nesbo: Sein letzter Roman mit dem Serienhelden Harry Hole endete mit dem Tod des Kommissars - so meinte man. Und nun? Der Titel des neuen Nesbo könnte einen zur Hoffnung verleiten, dass Hole doch überlebt hat: Koma. Doch eins nach dem anderen.
Die Geschichte beginnt ungewöhnlich. Da ist kein Opfer, kein Täter, keine Person, mit der man es zunächst zu tun hat. Im Zentrum der ersten Absätze steht eine Waffe - die Waffe, mit der Hole erschossen wurde - von seinem Ziehsohn ... Der fürchtet sich vor der Pistole, als wäre sie selber etwas Schlechtes. Nesbo gelingt an dieser Stelle großartiges: Mit wenigen Sätzen bringt er Erstleser seiner Romane ins Bild und erinnert Stammleser daran, wie die letzte Geschichte zu Ende ging.

Als nächstes geht's ins Krankenhaus, zum Komapatienten, von dem selbst der Polizeipräsident und die Sozialsenatorin hoffen, dass er nicht erwachen wird.
Doch Nesbo und mit ihm der Leser bleibt nicht bei dem rätselhaften Kranken. Es geht weiter, zu einem Radfahrer, lange (vielleicht ein wenig zu langatmige Schilderungen von Tag und Tagesverlauf münden im Tod von Erlend Vennesla. Ist er gestürzt, ist der fehlende Fahrradhelm Schuld. Doch zum Schluß sieht er stiefel, spürt immer neue Schläge.
Und wieder im Krankenhaus. Anton Mitte ist einer der Polizisten, die den Komapatienten bewachen. Ein alter Hase, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wie alt. Auf alle Fälle ein erfahrener Polizist. Zunächst wirkt er mir zu bieder, und ich finde es im erste Moment auch ein wenig unangenehm, wie er sich der jungen Kollegin nähert, die das erste Mal vor dem Zimmer Wache schiebt und keine Ahnung hat, wer im Zimmer liegt. Will Anton die Anfang-20-jährige angraben? Oder ist er einfach nur kollegial und nett? Wahrscheinlich zweiteres. Anton hat Feierabend - denkt er - doch dann wird er angemorst und gebeten, noch drei Stunden dran zu hängen. Die Einsatzzentrale teilt ihm eine Adresse mit. Überstunden sind selten. Handelt es sich um ein ermordetes Kind? Nein, am Einsatzort erfährt Anton nach und nach, dass ein Kollege ermordet wurde ...

"Koma" scheint mir ein Krimi-Thriller nach meinem Geschmack zu sein. Nesbo serviert eine Mischung aus Vertrautem und neue Figuren. Er wirft in den ersten Seiten dem Leser einige Fäden vor die Füße, vielleicht ein wenig zu viel. Aber er erzeugt auch Spannung. Da ist natürlich für Fans seiner Romane und für Freunde von Ermittler Harry Hole die Frage und Hoffnung: Ist der Komapatient Harry? Hat er überlebt? Wird er wieder aus dem Koma erwachen? Geht es mit ihm weiter? Ich bin etwas zwigespalten, was ich mir "wünsche". Einerseits finde ich es mutig, wenn ein Autor eine zentrale Figur sterben lässt. Karin Slaughter hat das in ihrer Romanreihe zum Schock vieler Leser aber doch auch mit Eleganz und reizvollen Wendungen gewagt. Andererseits war Harry ein interessanter Charakter, so dass es durchaus auch etwas hätte, wenn er wieder von den Toten aufersteht.

Es gibt also noch viel Anlass zur Neugier. Ich würde mich sehr, sehr freuen, den neuen Nesbo über Vorablesen Probe zu lesen. Ganz bewusst bewerbe ich mich hier eher nur für einzelne Romane, die ich dann auch wirklich möchte.