So endet es also

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theresia626 Avatar

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Nahtlos knüpft „Koma“, der 10. Band der Serie um Harry Hole des Erfolgsautors Jo Nesbø an den vorhergehenden Roman „Die Larve“ an. Ein Patient liegt im Reichshospital im Koma und wird von Leuten der Wache Oslo Zentrum, ergänzt durch Polizeischulstudenten im Praktikum, schwer bewacht. Niemand darf unkontrolliert in sein Zimmer. „Isabelle Skøyen, Sozialsenatorin im Osloer Rathaus, und Mikael Bellman, der frisch ernannte Polizeipräsident, wünschen sich nichts sehnlicher, als dass sie ihn nie wiedersehen müssen.“ (S. 6) Doch nach Monaten gibt es erste Anzeichen der Besserung. Währenddessen geschehen in Oslo brutale Morde. Zuerst stirbt der Pensionär Erlend Vennesla. Ihn treffen im Wald vier tödliche Schläge, an demselben Tag und an demselben Ort, an dem vor zehn Jahren die damals minderjährige Sandra Tveten tot aufgefunden wurde. Ihr Peiniger hatte sie drei lange Tage eingesperrt und vergewaltigt. Der Mordfall ist bis heute ungelöst. Wenig später geschieht der nächste Mord. Auch das Opfer ist ein ehemaliger Ermittler, die Tat erinnert an einen neun Jahre zurückliegenden ungelösten Mordfall. Damals wurde das Opfer vergewaltigt, zerteilt und Teile des Körpers wurden an verschiedenen Stellen kilometerweit entfernt gefunden. Diesmal zieht sich die Blutspur vierhundert Meter lang den Berg bis zum Ende des Liftes nach oben und dann wieder vierhundert Meter lang nach unten. (S. 59) An den Tatorten werden weder DNA noch Fingerabdrücke gefunden. Es gibt keine Verdächtigen oder Anhaltspunkte für ein mögliches Motiv. Unter Leitung von Gunnar Hagen wird eine Sonderkommission gebildet, doch auch die tritt lange Zeit auf der Stelle. Hat es ein Serienkiller auf die an ungelösten Mordfällen beteiligten Ermittler abgesehen, und wo ist Harry Hole, der ehemalige Hauptkommissar im Dezernat für Gewaltverbrechen? Nur er wäre in der Lage, den „Polizeischlächter“ zu stoppen.
„Koma“ von Jo Nesbø beeindruckt mit wunderschönen Landschaftbeschreibungen Oslos, überzeugend starken Charakteren, einer komplexen Handlung und unvermuteten Wendungen. Der Autor führt den Leser lange Zeit an der Nase herum und spielt mit ihm Katz und Maus. So ist auch nach vielen Seiten nicht klar, wer in dem Krankenzimmer vor sich hin dämmert und wen der geheimnisvolle Patient, sollte er jemals wieder aufwachen, schwer belasten könnte. Harry Hole, der sensible Alkoholiker mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, fehlt an allen Ecken und Enden. Neben den positiven Seiten des Romans gibt es aber auch Kritik, denn die Gewaltdarstellungen werden immer brutaler. So wird einem Opfer das Gesicht zerhackt, und auf dem gläsernen Couchtisch werden ihm mit einem vierzehn Zentimeter langen Bimetall-Sägeblatt bei lebendigem Leib Körperteile abgetrennt. Trotzdem ist es ein sehr intelligenter Krimi, der nach einem perfekten Konzept aufgebaut ist. Es geht um Korruption in den Reihen der Polizei, um Menschen, die aus Liebe töten, um Rache, Homosexualität, Ehebruch und Vergewaltigungsfantasien. Auch die Romantik kommt nicht zu kurz. „Die Larve“ und „Koma“ sind miteinander verbunden und sollten gemeinsam gelesen werden. Nesbøs vorliegender Roman schließt mit den Worten: „So soll es enden, genau so.“ (S. 615) Es sieht ganz so aus, als ob der Autor nicht vorhätte, die Reihe fortzusetzen. In einem Interview sagte er über seinen Protagonisten Harry Hole: „Ich mag ihn, aber er geht mir auch auf die Nerven, weil er so sehr nach seinem eigenen Untergang sucht.“ Auch wenn für mich der bisher stärkste Roman „Schneemann“ war, wurde ich sehr gut unterhalten. Der Autor ist und bleibt ein Meister gehobener Kriminalliteratur.