Alter weißer Mann

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mia-w Avatar

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Mein erstes Buch von Martin Mosebach, diesem hochgelobten, preisgekrönten und "letzten großen Wahrnehmungs- und Sprachkünstler unserer Literatur", wie die Zeit schreibt, war gleichzeitig mein letztes. Denn ich habe es leider kaum ausgehalten, wie hier auf hohem sprachlichen Niveau in Plattitüden, Ressentiments, Menschenfeindlichkeit und dem ewig Gestrigen geschwelgt wird.

Der Roman beginnt im November 1988 in Neapel und arbeitet sich mit einer Zwischenstation in Südfrankreich (1989) zum abschließenden Trauermarsch in Kairo im Jahr 2008 vor. Wäre die Handlung nur in den 1980er-Jahren geblieben! Ich hätte vermutlich beide Augen zugedrückt und das Buch als mit Absicht leicht gestrig angelegt verstanden. So musste ich erleben, wie hier auch in der (fast) Gegenwart Story und Figuren wie von vorgestern daherkommen - der Gegenwartsbezug wird ausschließlich durch Erwähnung der technischen Ausstattung behauptet (Handy, Tablet, letzteres 2008 zwar noch nicht existent, aber sei's drum) - und zu alledem auch 2008 noch in alter Rechtschreibung gesprochen wird (inklusive "Sopha" mit ph - wahrscheinlich habe ich einfach nur den Witz nicht verstanden).

Über die Handlung ist kein Wort zu verlieren, denn sie ist komplett irrelevant, auf die Figuren kommt es Herrn Mosebach an - oder doch auf die Sprache? Sie stand für mich während der zähen 525 Seiten leider so sehr im Vordergrund, dass ich nur mit Mühe geschafft habe, auf die rudimentäre Handlung und das traurige Ensemble der Protagonist:innen zu achten. Das muss ein Roman erstmal schaffen. Hut ab, Herr Mosebach!

Zusammenfassend gebe ich zwei Punkte für diesen Roman: einen für das possierliche Intermezzo mit dem Schuster, einen für die hohe Kunst, mich bis zum Ende an der langen Leine hoffen zu lassen, dass da noch was kommt - eine Wendung, eine interessante Charaktereigenschaft, irgendwas. Schade.