Blieb hinter den Erwartungen

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sapere_aude Avatar

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Ralph Krass, titelgebende Figur des Buches, ist Geschäftsmann in ominösen Branchen und zeichnet sich dadurch aus, dass er sich fremde Menschen wie einen Hofstaat hält, indem er sie ekelhaft großzügig zu Essen, Ausflügen und Hotelübernachtungen einlädt. Ein Teil seiner Macht speist sich aus dem Nimbus, den ihm diese Gefolgschaft vermittelt, ein anderer aus seiner Fähigkeit, fremden Menschen seine Pläne so überzeugend darzulegen (und seien sie noch so absurd und diffus), dass sie zu deren Verwirklichung beitragen.

Während eines Aufenthalts in Neapel in den 1980er Jahren ist Dr. Jüngel Krass' Assistent für alles und Lidewine Schoonemaker die Assistentin eines Zauberers, die Jüngel auf Wunsch von Herrn Krass für dessen Kreis gewinnt. Eine Zeitlang geht alles gut, man trinkt, besichtigt, kauft, dann fliegt alles auseinander. Die Fäden finden nie wieder ganz zusammen, wohl aber die drei Personen, die sich unter höchst ungewöhnlichen Umständen noch einmal wiederbegegnen.

Die Voraussetzungen für eine Geschichte voller Magie und Geheimnis, Liebe und Macht sind gegeben, werden durch Mosebach aber leider nicht konsequent genutzt. Es ist wie in einer frühen Szene des Romans, in der Lidewine ein Zauberkunststück erklärt: übrig bleibt vielleicht noch ein Trick, aber kein Zauber mehr und dazu noch ein schaler Beigeschmack. Besonders schade ist, dass Herr Krass, diese anscheinend so schillernde, manipulative, gewinnende Person, letztlich völlig farblos bleibt. Es wird behauptet, er sei so und so, aber es wird nie gezeigt, dass er wirklich so ist - weder durch seine eigenen Handlungen noch durch die Wahrnehmung der anderen. Und auch die Zufälle in diesem Buch scheinen wirklich nur das zu sein: Zufälle. Es bleibt völlig unklar, warum gerade diese Zusammenkunft dieser Personen damals in Neapel bei allen einen solch prägenden Eindruck hinterlassen haben soll, dass sie einander nicht vergessen können.

Die angenehm lesbare, stets etwas barocke Prosa Mosebachs reicht da leider nicht, um diesen mehr als 500 Seiten zu einem wirklichen Lesevergnügen zu machen.